Das wohltätige Tausendgüldenkraut

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor langer Zeit lebte einmal ein Edelmann, der war bekannt für seine Güte und Grosszügigkeit und wurde deshalb von allen geliebt. Er half, wo er helfen konnte und die Armen und Kranken gehörten zu seinen Freunden. Er hatte nur eine Schwäche: Er ass für sein Leben gern und es verging kaum ein Tag ohne ein prächtiges Festmahl auf dem Schloss.
Die Jahre vergingen und mit ihnen kamen die Leiden des Alters. Bald zwickte es hier, dann zwackte es dort. Was er am Liebsten tat, nämlich reiten und jagen, das konnt er schon längst nicht mehr. Die Ärzte kamen und gingen und mit ihnen ging ein Leiden und ein neues tauchte auf. 
«Der Herr muss sich stillhalten», verordnete der eine Arzt. 
«Der Herr darf keine schweren Speisen mehr essen», sagte ein zweiter. 
«Der Herr darf keinen Wein mehr trinken», sagte ein Dritter. 
Da lag der Schlossherr nun in seinem Bett und hatte nichts mehr, das sein Leben erfreut hätte. Er durfte nicht mehr zur Jagd gehen, kein Festmahl wurde mehr abgehalten, der Wein blieb im Keller und so verspürte er bald keine Freude mehr am Leben. Da der Tod noch auf sich warten liess, entschied sich der Mann für ein Gebet zu seiner Heilung: «Oh Herr», sprach er seufzend, «kein Mensch weiss mehr Rat für mich. Ich bitte dich, hilf mir wieder gesund zu werden.» Und dann fügte er hinzu: «Wenn ich gesund werde, so will ich die Hälfte von meinem Reichtum an die Armen verteilen.» Dann schlief er endlich ein.
In dieser Nacht hatte er einen seltsamen Traum. Eine Frau in einem weissen Gewand kam zu ihm. Sie lächelte ihn an und er sah, dass sie das Gesicht seiner Mutter hatte, die schon lange gestorben war. «Bald wird es dir besser gehen. Komm mit, ich will dir die Pflanze zeigen, die dir helfen kann.» 
Sie nahm den Mann bei der Hand und führte ihn an einem felsigen Hang entlang. Unten rauschte der Fluss und es war dunkel. Doch die helle Gestalt führte ihn über einen Felsenpfad bis zu einer Wiese im Wald. Dort standen drei Tannen und neben den Tannen wuchsen zarte Blumen mit rosaroten Blüten und einer goldenen Mitte. Er erkannte die Stelle sogleich, denn dort war er als Junge oft gewesen und hatte mit seinen Freunden gespielt. Die helle Gestalt bückte sich und pflückte von dem Kraut. «Schau, die ganze Wiese ist voll von diesen Kräutern. Pflücke davon und braue dir einen Trank daraus, dann wirst du gesund werden.» Nach diesen Worten verschwand die weisse Gestalt und der Edelmann erwachte. 
Am nächsten Morgen erhob sich der Schlossherr trotz Schmerzen aus dem Bett. 
Er wanderte den Pfad entlang, wie er ihn im Traum gegangen war und kam zu der Lichtung mit den drei Tannen. Genau wie im Traum standen die zarten Blumen dort und der Mann pflückte eine Handvoll und trug sie nach Hause. Dort liess er sich einen Sud bereiten und trank ihn jeden Tag. Mit jedem Tag wurden seine Schmerzen weniger und bald schon war er wieder ganz gesund.
Der Edelmann hielt sein Versprechen und teilte die Hälfte seines Reichtums an die Armen aus. «Hunderttausend Gulden waren es», sagten die Leute. Andere sprachen von tausend Gulden und so bekam die hilfreiche Pflanze den Namen Tausendgüldenkraut. Die Alten, die kennen das Pflänzchen noch beim Namen, die Jüngeren nennen es Güldenkraut. Heute aber sagen manche nur noch Kraut und denen sollte man diese Geschichte erzählen.

Aus: Djamila Jaenike, Pflanzenmärchen aus aller Welt © Mutabor Verlag

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