Der Choblezer im Äpelöö

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Eine Viertelstunde unter Klingnau kommt man in der Richtung gegen Koblenz auf die Zürichstrasse, die in die Rütinen führt; von dort geht ein Weg links ab in eine Waldung, die das Äpelöö heisst. Davon will ich jetzt erzählen. Das ganze grosse Äpelöö hat ehemals an das Städtchen Klingnau gehört; man liess aber der benachbarten Gemeinde Koblenz, die nur wenig Waldung besass, anfangs unentgeltlich, später kaufsweise ein Stück davon ab. Plötzlich hielten die Koblenzer einen Waldumgang und meinten, ihr Waldbann sei nicht nur zu klein, sondern die Klingnauer hätten mit ihnen die Marken zu beschauen und nach deren Ausweis gleichauf zu teilen. Allerdings liess nun Klingnau durch die Ältesten die Marken beschauen, aber man befand sie wie die Urkunde darüber will, und sie blieben unverändert. Jetzt kam's zum Prozess und die Schiedsmänner beider Parteien erschienen vor dem Landvogt zu Baden. Noch einmal musste der Wald vermessen und jede einzelne Marke bestimmt werden. Die Kosten liefen gross auf. Die Koblenzer wurden endlich abgewiesen und zur Tragung der Kosten und noch zu besondern Bussgeldern verurteilt. Auf dies hin pflanzte man den Klingnauern den Feind ins eigene Nest; man bestach einen ihrer Machthaber und dieser liess die städtischen Marchen heimlich so verrücken, dass die Koblenzer bald das gewonnen hatten, was ihnen vorher auf dem Rechtswege aberkannt worden war. Darunter gehörte auch derjenige Teil, den sie nachher in Wiesland umgewandelt und Geisswiese genannt haben. Aber gerade auf dieser geht es nun auch darnach her; denn unrecht Gut — jedoch man höre nur, was sie selber darüber erzählen. Wer als Bube je die Kühe hingetrieben hat und im Äpelöö auf die Geisswiese kommt, der hat gegen Abend doch gewiss bald eine Geiss weiden sehen, oder ist wohl auch auf den Ratsherren gestossen, der seit seinem Tode dort die Grenzsteine reitet. Und was zweien Jägern um Weihnachten daselbst begegnete, das kann man aus ihrem eigenen Munde vernehmen, denn beide sind noch am Leben.

Beide waren zusammen im Äpelöö auf dem Anstand. Beiden kam ein dreibeiniger Hase so nahe, dass ihn jeder hätte mit dem Stocke erschlagen können. Beide fehlten ihn; und kaum war er vorüber, so zitterte der ganze Boden ringsum und es pfiff, als ob man hundert prasselnde Kugeln gegen sie schösse. Die zwei suchten sich nun auf und wollten es für diesmal gelten lassen. Weil sie aber noch junge starke Leute waren, schämten sie sich ihrer Bedenklichkeit bald, und begannen auf einem entferntem Punkte die Jagd wieder. Das Gleiche wiederholte sich hier, nur dass diesmal statt eines dreibeinigen Hasen ein anderes kaum erkennbares Untier im allgemeinen Getöse an ihnen vorbeifegte. Nun gingen sie heim. Sie hatten den Forst schon hinter sich, da krachte es nochmals in den Bäumen, als ob alles durcheinander stürze, und eine abscheuliche Stimme schrie aus vollem Halse drein: „O je!“ Durch die ganze Zürichgass-Strasse und genau demjenigen Hag entlang, der bis gegen Klingnau reicht, scholl ihnen diese Stimme nach. Erst beim sogenannten Käppeli war's vorbei. Als sie's daheim erzählten, hiess es überall: „Aha, der Choblezer!“

Quelle: E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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