Bei der St. Anna-Kapelle zu Baden stand ehedem ein schlechtes hölzernes Kreuz oberhalb an der Straße, über dessen Herkunft man dies erzählt: Ein armer Familienvater war der Brandstiftung beschuldigt und zum Tode verurteilt, obschon er auch noch auf der Folter die Untat beständig in Abrede gestellt hatte. Noch auf dem Richtplatze, da wo nun der Bürgerspital steht, beteuerte er laut seine Unschuld und wie er gleichwohl diesen schmählichen Tod standhaft erleiden wolle, wenn ihm die Richter nur den Trost geben könnten, dass für seine verwaisten Kinder gesorgt werde. Versprecht nur, rief er, sie so viele Jahre zu erhalten, als ich noch Schritte machen werde, wenn mir das Haupt abgeschlagen ist. Man versprach es ihm öffentlich, und gefasst kniete er zum Tode nieder. Kaum war der Streich geschehen, so erhob sich der Rumpf auf der Richtstätte und lief an dreihundert Schritt weit bis zu dieser Stelle an der Anna-Kapelle; und er wäre wohl noch weiter gekommen, hätte ihn nicht einer aus der Menge hier umgestoßen, aus Grauen und Mitleid. An dem Orte seines Falles hat man jenes Kreuz errichtet. Was man sich von der Todesart seiner Richter sagt, ist schimpflich.
E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchen.ch.