In Laufenburg war vor langer Zeit eine arbeitsame Magd bei einer reichen Witwe in Dienst. Die Frau suchte seit ihres Mannes Tod ganz den stillen Tugenden der Mildtätigkeit zu leben und liess reichliches Almosen durch ihre Magd verteilen. Allein die Haushälterische gab die schöne Spende nicht an die Dürftigen ab, sondern behielt das Meiste zurück und bewahrte es in einem geräumigen Kasten auf. Wie aber erschrak sie einst, als sie darinnen statt ihrer Geldstücke eine Menge Kröten und Nattern gewahrte! Da rief ihr zugleich eine Stimme zu, dass sie noch bei lebendigem Leibe in diesen Kasten versperrt und von diesen Tieren verzehrt werden solle. Die Magd starb eines unbekannten Todes. Als nach langen Jahren die Erben jener Witwe den Wandschrank öffnen liessen, flog eine weisse Taube daraus hervor.

E. L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch