Die Schatztruhe bei Reinach

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Auf dem Hügel, der östlich von Reinach sich erhebt und heutigen Tages mit Laubwald bewachsen ist, stand zur Zeit der Römer eine Stadt, deren Häuser ganz aus Holz gebaut waren. Trotz der Lebenseinfachheit, auf die eine hölzerne Stadt schliessen lässt, geschah doch dort manches, was bis auf die jetzige Stunde noch nicht abgebüsst ist. Es wandeln hier Gestalten und winken; Jäger und bellende Hunde durchziehen den Forst, und immer, wenn man sie hört, ist es hohe Zeit, sich zu entfernen.

Gleichwohl müssen die alten Einwohner auch die Musik geliebt haben; denn zu bestimmten Zeiten fängt oben im Dickicht ein sanftes Blasen an, wie von gedämpften Hörnern; aber je näher man den Tönen zu kommen sucht, um so entfernter klingt es, bis es endlich ganz in der Ferne verhallt. Auch von Schätzen erzählt man, wie sie in jenem Hügel vergraben, von bösen Geistern bewacht sind und von manchem leicht hätten gehoben werden können, wenn er in einem gewissen Zeichen geboren gewesen wäre, wenn er nur vorsichtiger oder auch nur muthiger zu Werk gegangen wäre.

So kam eines Tages ein armer Mann ins Laubholz, um sich eine Bürde Reisser zu sammeln. Daheim gebrach es Weib und Kindern an Nahrung, und der Vater hieng den traurigsten Gedanken nach. Plötzlich sah er eine Frau in schneeweissen Gewändern an seiner Seite, die ihm winkte zu folgen. Man kann sich seinen Schrecken denken; aber er erinnerte sich seiner zwiefachen Hilflosigkeit und nahm sich zusammen. Das Weib führte ihn bald durch enge Fusswege, bald durch dichtes Gebüsch hügelan zu einem einsamen Platze, unfern von der Strasse, die hier von Menzikon nach Mosen führt. Hier gab sie ihm ein Zeichen, näher zu treten. Er that es schüchtern, und während sie mit dem Finger auf die Erde deutete, sah er in einer geringen Vertiefung eine grosse Kiste, die bis zum Rand mit Goldmünzen angefüllt war.

Er blickte die Gebietende mit einer fragenden Miene an, und da er ihren zweiten Wink zu verstehen meinte, bückte er sich, um von den Schauthalern so viel er konnte zusammenzuraffen. Aber was sah er, als er noch einmal demüthig zur Wohlthäterin aufblickte? Ein gewaltiger Mühlstein hieng am schwächsten Zwirnfaden gerade über seinem Haupte her, und die selbe Hand, die ihn so freundlich eingeladen, drohte den Zwirn eben mit einer Schere zu durchschneiden. Er hätte in den Erdboden versinken mögen, aber sein theures Leben trieb ihn zur Flucht. Vergeblich eilte und rief nun das Weib ihm nach, bat und beschwor ihn, umzukehren; er entsprang, und noch lange vernahm er ihre Klage hinter sich her.

Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 1 Aarau, 1856

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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