Der Geist Lakalak 

Land: Dänemark
Region: Grönland
Kategorie: Schwank

 

Hoch oben in Grönland sind die Winter lang und dunkel. Viele Wochen lang hängt die Dunkelheit wie ein schwarzer Schleier über dem Land. Es ist die Zeit, wenn die Menschen zusammenrücken und sich Geschichten erzählen. So war es auch an diesem Abend, alle sassen beisammen und plauderten, als einer sagte: «Es ist so dunkel und kalt, dass man gar nicht mehr weiss ob Tag und wann Nacht ist!»
«Geh doch zum Geist Lakalak und sag ihm, er soll die Sonne wieder durchlassen!», sagte einer.
«Der Geist Lakalak? Erzähl uns von ihm!», riefen die anderen.
Da begann der Mann zu erzählen: Vor langer Zeit lebte einmal ein Mann, dem ging es genauso wie uns: Es war ihm zu dunkel und zu kalt. Also wanderte er zum Geist Lakalak, der das Land verdunkelte und rief: «Lakalak! Lakalak! Geh fort, damit ich das Licht wieder sehe und die Wärme zurückkommt!»
Der Geist sprach: «Es ist noch nicht Zeit, dass die Sonne zurückkommt, aber ich kann dich in das Land der Sonne führen.»
«Oh bitte, ja, tu das, ich habe so grosse Sehnsucht nach der Sonne!»
Da kam auf einmal Nebel auf und hüllte den Mann ein, so dass er nichts mehr sah und hörte nur noch ein Rauschen und Brausen. Vor Angst schloss er die Augen, und als er wieder zu sich kam, wurde es um ihn herum hell. Er blinzelte in die Sonne. Fort waren die Eisberge und die Eisbären, keine Wale waren da, kein graues Eismeer und keine Rentiere im Schnee.
Stattdessen sah er grüne Wiesen und blauen Himmel. Vögel zwitscherten, Blumen blühten in allen Farben und hinter ihm schien die Sonne hell und stark und wärmte seinen Rücken.
Da hob der Mann die Arme und wollte das grüne, warme Land begrüssen. Aber was war das? Im gleichen Augenblick erschien ein dunkler Schatten vor ihm, der ebenfalls die Arme hob. Aber er war viel grösser, breiter und länger als der Mann. Erschrocken schlug er die Hände auf dem Kopf zusammen – und der Geist, dieses schwarzgraue Schattenungeheuer tat das Gleiche! Jetzt bekam es der Mann mit der Angst zu tun. Er sprang auf und davon, doch das Schattenungeheuer verfolgte ihn. So lange hatte er die Sonne nicht mehr gesehen, dass er nicht merkte, dass es sein eigener Schatten war, den er sah. In seiner Angst rannte er um sein Leben, immer Richtung Norden. Er rannte und rannte, bis es langsam wieder dunkler und kälter wurde und nach vielen Tagen kam er endlich zurück in sein Dorf. Die Feuer in den Häusern zeigten ihm den Weg in der Dunkelheit. So fand er sein Haus, und die Männer und Frauen setzten sich zusammen, und er erzählte ihnen alles. Seither aber hat niemand mehr den Geist Lakalak gebeten, ihn in das Land der Sonne und der Wärme zu tragen. Wir alle warten, bis die Zeit gekommen ist und das sanfte Licht wieder unser Land erhellt.
«Seht ihr», sagte der Mann, als die Geschichte zu Ende war, zu den anderen, «so ist es dem ergangen, der sich mit dem Geist Lakalak eingelassen hat. Womöglich würde es euch genauso gehen, wie dem Mann, der sich vor seinem eigenen Schatten fürchtete!»
Die anderen lachten und einer meinte: «Es wird noch lange dauern, bis die Sonne wieder in unser Land kommt. Aber solange man guten Geschichten lauschen kann, warte ich gerne!»
So sassen die Männer und Frauen im Dunkeln in der Kälte, wärmten sich an den Märchen. Und wer weiss, vielleicht sitzen sie dort noch heute, und warten darauf dass der Geist Lakalak das warme Licht wieder in ihr Land lässt.

Fassung Djamila Jaenike, nach: S. Mart, Märchen der Völker, Hamburg 1932. Dieses Märchen ist Teil des IdeenSet Märchen der PH Bern.

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