Der Stein des Wilden - La Pierre du sauvage

Land: Schweiz
Region: Pays d'Enhaut
Kategorie: Sage

Ein Felsen auf dem Bergrücken oberhalb des Dorfes Gryon, in der Nähe der Mazots des Frasses, auf dem Weg nach Taveyannaz, lieferte den Stoff für eine in dieser Gegend wohlbekannte Liebesgeschichte. Diese Steinplatte verschwand leider vor kurzem, weil sie in einem nahegelegenen Chalet verwendet wurde; man sah dort deutlich den Abdruck eines menschlichen Körpers.

Der Überlieferung zufolge hatte sich ein schöner junger Mann, dessen Name unbekannt blieb, unsterblich in ein Mädchen aus der Umgebung verliebt, das aus unerfindlichen Gründen schließlich den Schleier nahm und in das Kloster von Colombey eintrat. Von da an konnte man ihn allein und auf eigene Faust auf den Bergen, Weiden und in den Wäldern umherstreifen sehen, die die wilden Täler des Avençon oder der Gryonne mit ihren Schatten bedeckten. Er sprach mit niemandem. Sein Gesicht war traurig und sein Blick von herber Melancholie. Von Zeit zu Zeit kam ein tiefer Seufzer aus seiner beengten Brust. Einer der Orte, an denen er besonders gerne saß, war der breite Stein in Les Frasses, der seither der Stein des Wilden genannt wird. Von diesem Felsen aus ließ der Mann, den Dekan Bridel fortan den "armen Bernhard" nannte, seinen trüben Blick über die Schönheiten dieser herrlichen Landschaft schweifen, bis er schließlich auf der Seite der Ebene auf einem wohlbekannten Dach verharrte, das ein von Baumkronen eingerahmtes Haus bedeckte, wo seine Liebe Zuflucht gefunden hatte. Dort ließ er in seinen Träumereien versunken die Stunden am Kirchturm von Gryon verstreichen, und oft kam es vor, dass der Mond aufging und ihn auf seiner Steinplatte liegen sah, ohne dass er darauf achtete.

Dann hätte er, wie Henri Durand, mit der gleichen liebevollen Melancholie und inmitten der gleichen Natur die beiden bekannten Strophen sagen können, wie sie von so vielen anderen im Gefolge des Dichters wiederholt wurden:

Ich sah der Berge Gipfel, die grandiosen
Und des Gletschers abgrundtiefer Fall;
Unter Felsen pflückte ich Lilien und Rosen,
Ich trank von der Sahne im Chalet im Tal;
In des Sonnenuntergangs rötlichem Schein
Sah ich die Schneemassen zu Tale stieben;
Doch war ich, vor all den Wundern, stets allein.
Alles ist so schön! Mein Herz will lieben.

Des Baches Murmeln hör ich hier ganz fein,
und seh’ die Birke, die im Abendwind sich neigt;
Den Mond am Himmel glänzend, klar und rein,
wie er über des Muverans schwarze Flanke steigt.
Die Abende der Berge so schön sind sie hier;
Auf dem, was verzaubert, ist der Blick geblieben;
Eine Gespielin, dies zu geniessen, wünsch ich mir;
Alles ist so schön! Mein Herz will lieben.

So kam es, dass der arme Troubadour in Gedanken versunken schließlich den Abdruck seines Körpers auf dem Stein hinterließ, der Zeuge seiner Seufzer war. - Wie gern hätte ich dich gekannt, schöner Bergbewohner! An deinem schroffen Felsen, im Schatten der Dämmerung, hätte ich dir sanft diese Verse gesungen, die vielleicht deinen Gedanken Ausdruck verliehen und deinen Schmerz gelindert hätten:

Du träumst alleine auf dem Berge,
Am Rand der Wälder, der grünen Weiden;
Eine Gefährtin! Sie fehlt dir herbe.
Den einsamen Weg würd’st du gern meiden.
Wenn blau über uns strahlt der Himmel,
Wenn der Vogel seine Liedlein pfeift,
Wenn die Blumen in Festlaune uns stimmen,
Unsere Hand gern eine andre Hand ergreift;
Eines Troubadours Herz ist nicht gern allein,
Auf der blühenden Alp sollte Liebe sein.

Stumm und finster in deiner Befängnis,
Gehst auf deinem Weg du fort;
Der Vogel lächelt über dein Bedrängnis;
Ein kummervoller Seufzer zeugt von deiner Not.
Weder Wasserfall noch Blume willst du sehen;
Alles ist schwarz für dich in dieser Zeit;
Dein Herz klagt vor Schmerz und Wehen;
Der süsse Lenz ist für dich voll Traurigkeit.
Ach! Edler, schöner Troubadour!
Eine Alp ohne Liebe – was soll das nur!

 

Quelle: Alfred Cérésole, Légendes des Alpes vaudoises, 1885, unter dem Titel: La Pierre du sauvage
Übersetzt von der Mutabor Märchenstiftung, www.maerchenstiftung.ch (Bearbeitung der Gedichte: M. Widmer)

 

La Pierre du sauvage

Un rocher situé sur la crête qui domine le village de Gryon, près des mazots des Frasses, sur le chemin de Taveyannaz, a donné lieu à une légende amoureuse bien connue dans la contrée. Cette dalle a malheureusement disparu depuis peu de temps pour être utilisée dans un chalet voisin ; on y voyait distinctement l’empreinte d’une silhouette humaine.

La tradition rapporte à ce sujet qu’un beau jeune homme, resté inconnu, était tombé éperdument amoureux d’une fille des environs qui, pour des raisons qu’on ignore, avait fini par prendre le voile et par entrer au couvent de Colombey. Dès lors, on pouvait le voir errer seul, à l’aventure, sur les monts, sur les pâturages et dans les bois qui couvrent de leur ombre les vallons sauvages de l’Avençon ou de la Gryonne. Il ne parlait à personne. Son visage était triste et son regard d’une poignante mélancolie. De temps à autre, un profond soupir sortait de sa poitrine oppressée. Un des endroits où il aimait surtout à venir s’asseoir était cette large pierre des Frasses, appelée depuis la Pierre du sauvage. Du haut de cette roche, celui que le doyen Bridel a appelé depuis « le pauvre Bernard » laissait errer son morne regard sur les beautés de ce splendide horizon, pour finir invariablement par l’arrêter du côté de la plaine, sur un toit bien connu, recouvrant une maison encadrée de feuillage, où s’abritait son amour. Là, absorbé dans ses rêveries, il laissait passer les heures au clocher de Gryon, et le lever de la lune le surprenait souvent étendu sur sa dalle sans qu’il y prît garde.

Alors, comme Henri Durand, il eût pu dire avec la même amoureuse mélancolie et au sein de la même nature, ces deux strophes bien connues et que tant d’autres ont répétées après le poète :

J’ai vu des monts les sommets grandioses
Et du glacier le stérile sillon ;
Sous les rochers, j’ai cueilli lis et roses,
J’ai bu la crème au chalet du vallon ;
Puis du couchant, de ses teintes vermeilles,
J’ai vu deux fois les neiges s’animer ;
Mais j’étais seul devant tant de merveilles ;
Tout est si beau ! Mon cœur voudrait aimer.

D’ici j’entends le torrent qui murmure
Et le bouleau frémir au vent du soir ;
La lune, au ciel brillant limpide et pure,
Du Muveran dépasse le flanc noir.
Ils sont si beaux, nos soirs à la montagne !
Rien n’y distrait de ce qui peut charmer ;
Pour en jouir, j’y rêve une compagne ;
Tout est si beau, mon cœur voudrait aimer.

C’est ainsi que, plongé dans ses pensées, le pauvre troubadour finit par laisser l’empreinte de son corps sur cette pierre témoin de ses soupirs. – Que ne t’ai-je connu, beau montagnard ! Près de ton roc sauvage, dans l’ombre du crépuscule, doucement j’aurais pour toi chanté ces vers qui, peut-être, auraient traduit ta pensée et calmé ta douleur :

Tu rêves seul sur la montagne,
Le long des bois, des gazons verts ;
Près de ton cœur, pas de compagne !
Les sentiers sont pour toi déserts.
Quand un beau ciel luit sur nos têtes.
Quand l’oiseau chante un doux refrain,
Quand les fleurs nous parlent de fêtes,
Notre main cherche une autre main ;
Car, pour un cœur de troubadour,
Sur l’Alpe en fleurs il faut l’amour.

Muet et sombre en ta tristesse,
Tu t’en vas seul en ton chemin ;
L’oiseau sourit de ta détresse ;
Un gros soupir doit ton chagrin.
Tu ne vois ni fleur ni cascade ;
Tout est pour toi noir contre-temps ;
Ton cœur gémit ; il est malade ;
Triste est pour toi le doux printemps.
Hélas ! noble et beau troubadour,
L’Alpe est bien triste sans amour !

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