Die Sternenkinder

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Ein König ließ verkünden, wer nach Feierabend noch Licht habe, müsse des Todes sterben. Nebenaus in einer Hütte wohnten zwei arme Spinnerinnen. Die eine ging schlafen, und die andere schlief über dem Spinnrad ein. Da kam die Polizei und fragte sie, warum sie noch Licht habe. Sie erwiderte, sie habe gesponnen, sei dabei eingeschlafen und habe geträumt, sie werde zwei Kindern das Leben schenken, und das eine werde einen goldenen, das andere einen silbernen Stern auf der Brust tragen. Da wurde sie vor den König geführt. Dieser fragte sie, warum sie seine Befehle nicht ausgeführt habe. Sie sagte, sie müsse sich mit dem Spinnen das Brot verdienen; über der Arbeit sei sie eingeschlafen, und das Licht habe über den Feierabend hinaus gebrannt. Dann erzählte sie dem König den Traum. Dieser sann darüber nach und ließ sie wieder frei.

Der Sohn des Königs hatte das junge Mädchen gesehen, es lieb bekommen, und eines Tages ging er hin, holte es aus der Hütte weg und nahm es zur Frau. Der Vater starb, aber die Mutter lebte noch, und diese haßte die junge Königin und sann nach, wie sie der ehemaligen Spinnerin das Leben sauer machen könnte. Die junge Königin schenkte während der Abwesenheit ihres Gemahls zwei Söhnchen das Leben, und das eine trug richtig einen goldenen, das andere einen silbernen Stern auf der Brust. Während die Mutter schlief, ließ die alte Königin die Kinder entfernen, in einem Korb im Wald an einen Baum hängen, so daß sie ihrem Schicksal überlassen blieben. Zu der Mutter sagte die Alte, sie hätte eine Mißgeburt gehabt, und die Kinder seien tot. „Ich habe sie doch schreien hören“, sagte die Mutter. „Das hast du nur geträumt“, fuhr die böse Königin fort.

Da fand ein alter Jäger auf seinem Streifzug den Korb mit den schreienden Kindern. Er hatte selbst zehn Kinder zu Hause, aber er dachte, zwei mehr gebe nicht viel mehr zu tun. Er nahm den Korb und trug ihn nach Hause. Seine Frau schlug die Hände zusammen: "Was, du bringst noch zwei, und wir wissen selbst nicht, was wir unsern zehn Kindern zu essen geben wollen!« Der Jäger aber sagte: „Siehst du nicht die Sterne auf der Brust, hier den goldenen und hier den silbernen, das sind gewiß Herrenkinder!“

So blieben die Knaben in der Jägersfamilie und wuchsen mit den andern Kindern auf. Als sie groß waren, sagte der Jäger zu ihnen: „In Gottes Namen, jetzt müßt ihr gehen, ich bin zu alt, um die ganze Familie zu ernähren!“ Er gab ihnen einen Zettel mit, worauf stand, daß er sie einst im Walde gefunden und daß sie beide einen Stern auf der Brust trügen. Die Knaben reisten fort und kamen zu einer Burg, wo sie um Arbeit fragten. Der Burgvogt sagte, zwei so junge Bürschchen könne er nicht brauchen, aber als sie ihm den Zettel des ihm befreundeten Jägers zeigten, stellte er sie an und erteilte ihnen den Auftrag, den Garten zu bewässern und zu pflegen. Die Knaben dienten hier mehrere Jahre und hielten immer treu zusammen mit der Magd des Burgherrn, die den Kindern oft zusah und ihnen alles zuliebe tat.

Bald ging der Lärm durchs Land, daß bei dem Burgherrn zwei Knaben dienten mit Sternen auf der Brust, und diese Märe drang auch zu den Ohren des Königs. Seine Frau war längst nicht mehr bei ihm. Er war sehr aufgebracht gewesen gegen sie, weil sie ihm keine Kinder geschenkt, und als er in den Krieg zog, verkaufte die böse Mutter die Königin als Sklavin in ein fremdes Land. Dann wurde sie wieder verkauft und kam als Magd auf die Burg, wo die beiden Knaben, ihre Kinder, dienten. Die böse Mutter hatte dem König nach seiner Rückkehr aus dem Krieg gesagt, seine Frau sei ihm während der Abwesenheit untreu geworden, und sie hätte sie deshalb fortschaffen müssen.

Als der König nun die Kunde von den Sternenkindern vernahm, besann er sich wieder des Traumes seiner verschwundenen Frau. Der König fragte sich, ob seine Frau wohl irgendwo noch am Leben sei, und eines Tages sagte er zu der Mutter: »Ich gehe, die beiden sonderbaren Knaben aufzusuchen!“ Da gab sie ihm einen betäubenden Trank, so daß er nicht fortgehen konnte. Als er zum zweiten Mal denselben Wunsch äußerte, mischte sie wieder ein Pulver in seinen Trank, der ihn wiederum betäubte. Beim dritten Mal sagte er nur, er unternehme eine Lustreise und kehre abends nicht zurück. Da erschien er auf der Burg. Die Magd erkannte ihn sofort, er sie aber nicht. Die beiden Knaben wurden ihm vorgeführt und sie mußten sich entblößen. Auf der Brust glänzten der goldene und der silberne Stern. Da verlangte die Magd auch vorgeführt zu werden, was ihr erlaubt wurde. Sie fragte den König, ob sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählen dürfe. Der König war gern bereit sie anzuhören, und nun vernahm er den Betrug, den seine schändliche Mutter verübt, erkannte seine Gemahlin wieder und schloß sie mit den Knaben in die Arme. Er zog mit allen dreien auf sein Schloß, ließ seine Mutter ins Gefängnis werfen und den Scheiterhaufen errichten. Als sie auf den Platz geführt wurde und als Hexe den Scheiterhaufen bestieg, mußte sie noch sehen, wie der König seine Gemahlin, die wieder die Krone trug, am Arme hielt, und wie sich die beiden Knaben an ihre Eltern schmiegten, dann wurde der Brand in den Stoß geworfen und die Hexe verbrannt.

Quelle: J. Jegerlehner, Sagen und Märchen aus dem Oberwallis, Nr. 143

 

 

 

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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