Der gescheite Hans

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Der gescheite Hans

Märchen aus der Schweiz

Ein Vater schickte seinen ältesten Sohn, der Hans hiess, zum Studium nach Deutschland. Ein Jahr später kam Hans für den Sommer nach Hause zurück und der Vater fragte ihn, was er denn in der Fremde gelernt habe. Hans antwortete: „Ich verstehe jetzt, was die Frösche quaken.“ Der Vater schaute ihn überrascht an und meinte dann verärgert, dafür habe er ihn nicht weggeschickt und seine Reise bezahlt, damit er nur Dummheiten lerne. Am Ende des Sommers aber wollte der Sohn wieder zum Studium nach Deutschland zurück und er bat die Mutter, doch mit dem Vater zu reden, damit er ihm nochmals Geld gebe dafür. Das tat sie und so gab der Vater ihm nochmals Geld, ermahnte ihn aber, das Jahr über fleissig zu lernen. Der Sohn versprach es und machte sich auf die Reise.

Als das Jahr um war, kehrte Hans wieder nach Hause zurück und als der Vater ihn fragte, was er denn diesmal gelernt habe, sagte er: „Ich verstehe jetzt, was die Hunde bellen!“- „Schon wieder so unnützliches Zeug!“, rief der Vater wütend. „Jetzt ist fertig mit dem Studium!“ Als der Sommer um war, erhielt er aber doch wieder Geld, nachdem die Mutter den Vater darum gebeten hatte- allerdings erst, nachdem er fest versprochen hatte, etwas Sinnvolles zu lernen. Als der Sohn nach dem dritten Jahr nach Hause kam, fragte ihn der Vater wieder, was er jetzt studiert habe. Der Sohn sagte, jetzt wisse er, was die Vögel singen. Da wurde der Vater zornig und sagte, jetzt sei endgültig Schluss, jetzt müsse Hans zu Hause bleiben und ehrlich arbeiten, alles weitere Bitten sei umsonst.

Er kaufte eine Herde Schafe und Hans musste sie hüten. Als er nun Tag für Tag bei den Schafen sass und ihm langweilig wurde, sah er einmal zwei Fremde des Weges kommen. Die sprachen ihn an und erzählten sie wollten nach Sitten wandern, wo morgen der Landeshauptmann durch das Los bestimmen werde und vielleicht habe ja einer von ihnen Glück und werde gewählt. Hans bat die beiden, ihn doch mitzunehmen, gleichzeitig fiel ihm allerdings ein, dass er ja gar kein Geld hatte. Den zwei Wanderern aber gefiel der Bursche und sie luden ihn ein, mit ihnen zu ziehen, die würden schon für ihn bezahlen.

So zogen die drei talabwärts Richtung Sitten. Die Strasse führte durch einen Sumpf, wo die Frösche quakten. Da sagte Hans: „Ihr Herren, wisst Ihr, was die Frösche schreien?“- „Wie sollen wir das wissen?“, erwiderten sie. „Das verstehen wir doch nicht. Weißt du es etwa?“ und sie lachten dazu. „Sie sagen, in dem Dorf, wo wir die Nacht zubringen wollen, liege eine Frau krank im Bett. Der eine der Frösche halte eine Hostie im Maul, wenn man sie nehme und der Frau zu schlucken gebe, werde sie wieder gesund, sonst aber müsse sie bald sterben.“

Seine beiden Gefährten lachten den Hans seiner sonderbaren Rede wegen aus und glaubten ihm kein Wort. Aber als sie das Dorf erreichten mit dem Wirtshaus, in dem sie übernachten wollten, lag dort wirklich eine sterbenskranke Frau. Hans hatte den Frosch mit der Hostie gefangen und gab der Frau die Hostie zu schlucken. Die Frau bedankte sich sehr und fragte die Herren, wie viel sie verlangten. Sie entgegneten, sie hätten die Medizin nicht gewusst, das sei allein das Verdienst von Hans und der meinte, wenn es nicht zu viel sei, dann hätte er gern drei Kronen, da er kein Geld bei sich habe. Da erhielt er fünf und war glücklich damit.

Am nächsten Morgen wanderten die drei Gesellen weiter und kamen bis Leukergrund. Im Schloss bellten die Hunde und die beiden Wanderer entschieden, dass sie in dem Schloss übernachten wollten. Hans fragte, ob sie den wüssten, was die Hunde bellten. Die sahen ihn an und fragen erstaunt, ob er es denn wisse. Da sagte er: „Sie bellen, dass nach dem Nachtessen ein zerlumpter Bettler in Schloss kommen werde, Almosen verlangen und Unterkunft und dann werde er bei der Tür liegen, um Mitternacht aufstehen, die Tür aufschliessen, einen Pfiff ertönen lassen, dann werden elf andere Räuber herbeieilen, das Haus ausrauben und die Bewohner ermorden.“

Die Gefährten trauten dieser Behauptung nicht ganz, sie dachte aber an die Frösche und stimmten zu, dass sie die Geschichte den Schlossbewohnern erzählen sollten. Als der Bettler tatsächlich erschien und um Almosen und Nachtlager bat, wussten sie, dass Hans die Wahrheit gesagt hatte, da holten sie die Gendarmen, die heimlich das Schloss umstellten.

Um zwölf Uhr nachts erhob sich der Bettler, öffnete die Tür und liess einen gellenden Pfiff ertönen. Die elf Räuber kamen eilends herbei, wurden aber gefangen und ins Gefängnis geführt. Die Schlossleute bedankten sich sehr und fragten die Herren, was sie ihnen schuldig seien. Diese zeigte wieder auf Hans und sagten, dass er allein das alles herausgefunden habe und er verlangte fünf Louisdor, wenn das nicht zu viel sei. Da erhielt er zehn statt fünf Goldstücke und nun hatte er die Taschen voll Geld.

Am folgenden Tag marschierten die drei weiter bis vor das Städtchen Sitten. In der Krone eines mächtigen Nussbaums zwitscherte ein Vogel wunderschön und Hans fragte die beiden anderen, ob sie wüssten, was der Vogel singe. Wieder sahen sie ihn mit grossen Augen an und fragte, ob er die Sprache der Vögel denn auch verstehe. Er sagte: „Ja, die verstehe ich am beste. Er pfeift, heute werde der Landeshauptmann in Sitten gewählt und einen von uns werde es treffen!“ Da erwiderten sie verärgert: „Meinst du etwa, jetzt wirst du auch noch Landeshauptmann, du Grünschnabel!“, und sie fingen mit ihm Streit an. Er aber sagte gelassen, wie sollten nur ins Städtlein gehen, er bleibe hier gern zurück, bis die Wahl getroffen sei. Da liessen sie ihn allein und beeilten sich fortzukommen.

Er wartete wohl eine gute Stunde, dann setzte er langsam den Weg fort. Im Städtchen hatte sich die Nachricht von Hans und seinem Wissen schon verbreitet und die Leute erzählten einander ganz aufgeregt, wie er die Frau mit der Hostie geheilt und wie er die Schlossbewohner im Leukergrund vor den Räubern gerettet habe und da wurde er einmütig zum Landesvorsteher gewählt.

Er schrieb nun seinen Eltern, sie möchten nach Sitten kommen und bei ihm wohnen, das Geld, das sie für seine Studien ausgegeben, sei nicht alles verloren gewesen und jetzt möchte er ihnen gerne zurückgeben, was sie für ihn getan hätten.

 

Sagen und Märchen aus dem Oberwallis, Aus dem Volksmunde gesammelt       von J. Jegerlehner, Basel 1913

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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