Wild-Mannli's Rat

Land: Schweiz
Kategorie: Schwank

Zur Zeit, als noch die liebe Einfalt in unserm Lande »gäng und gäb« (Brauch) war, geschah es einmal, dass der Geschworne Val. Suter in Tenna in seinem Garten ein ganz merkwürdiges Tier fing.

Er trug das sonderbare Geschöpfe schnell heim, steckte es in seiner Frau Haubenschachtel, damit es ja nicht hart liegen müsse, und lief damit zum Pfarrer nach Versam.

Sowohl er als der Herr Pfarrer (der sonst ein gar gelehrter Mann war) hatten ihr Lebtag kein so eigentümlich gestaltetes Tier gesehen, und da gab der Pfarrer dem Geschwornen den Rat, so schnell als möglich den Gemeinderat zusammen zu berufen, und durch Denselben untersuchen, was das für ein Tier sei, und entscheiden zu lassen, was man damit zu thun habe, denn dass Das etwas Absonderliches sei, sehe man an der schwarzen Haut, an den fürchterlich breiten »Toapen« (Tatzen) und an der spitzen Schnauze und an den kleinen, listig zugekniffenen Äuglein; es sei dieses ein Tier, das viel schlimmer sei, als ein Basilisk. Wenn Das einmal losbreche, gebe es gewiss grosses Unglück.

Voll Angst, dass er nun der unglückliche Besitzer eines so landesgefährlichen Ungetüms sein müsse, und im Wahne, das sei gerechte Strafe für seine Sünden, – lief er mit dem Tiere in der Haubenschachtel heim, und beorderte noch auf den Nachmittag den Gemeinderat zur ausserordentlichen Sitzung.

Der Gemeinderat versammelte sich, besah und beriet die fatale Sache, konnte aber zu keinem Entschlusse kommen, und sprach schliesslich dahin sich aus, es sei rein unmöglich, darüber abzusprechen, das müsse vor die ganze Gemeinde kommen; und der GemeindeRatsweibel erhielt die Weisung, alle stimmfähigen Gemeindegenossen von Tenna, Versam, und den Höfen auf den nächsten Vormittag auf das Rathaus in Tenna zu berufen, damit Jeder seine Meinung und Stimme abgebe, was mit dem schrecklichen, unheilvollen Tiere anzufangen sei.

Es wurde nun auf der versammelten Gemeinde der böse Casus vorgebracht, und hin und her beraten, was das wohl für eine neue Landplage sein möge.

Von Allen aber konnte Keiner sich erinnern, von einem solchen Tiere je gehört oder gelesen, geschweige denn mit eigenen Augen gesehen zu haben.

Man kam überein, das Ungeheuer zu beseitigen, und der Gemeinderat stimmte in seiner hohen Weisheit über diesen Fall ab, das Tier feierlich vom Leben zum Tode zu bringen.

Aber nun entstand eine weitere, sehr gewichtige Frage: Auf welche Art sollte das Ungeheuer enden. Durch Henkershand, Kopfabschneiden, Verbrennen, oder Ersäufen? Keiner wusste Rat.

Da trat ein Wild-Mannli, das in den Bergen das Vieh hütete, in die Ratsversammlung, und das wurde auch um seine Meinung gefragt.

Wild-Mannli lächelte schelmisch, und gab den Rat, das Untier – »lebendig zu vergraben.«

Das war ein Spruch nach Aller Wille, und kostete nicht viel.

Und ungesäumet wurde ein Loch in den Garten des Geschwornen gemacht, das Tier lebend hineingetan, und schnell zugemacht. –

So kam es, dass man denen auf Tenna nachsagt, »sie hätten ihre Scheermaus (Maulwurf) lebendig vergraben.«

 

Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden, Teil III, Chur 1878.

 

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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