Die Halfter

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Es war einmal ein Vater mit drei Söhnen. Der eine war sehr hell, der andere etwas weniger gescheit, und der dritte war ein Dummkopf, der immer hinter dem Ofen hockte und sich den Kopf mit einer Speckschwarte einschmierte.

Bevor der Vater starb, befahl er seinen Söhnen, sie müssten drei Nächte auf dem Friedhof an seinem Grab wachen. Zuerst traf es den Gescheiten. Der machte mit dem Dummkopf ab, wenn er für ihn auf dem Friedhof wache, so gebe er ihm dafür zehntausend Goldtaler. Der Dummkopf sagte, das wolle er schon machen. Er ging also auf den Friedhof und wartete bis gegen elf Uhr in der Nacht. Da kamen allerlei Gespenster zum Vorschein, aber der Dummkopf fürchtete sich nicht. Um zwölf erschien plötzlich sein Vater auf einem Pferd mit einem silbernen Sattel und einer silbernen Halfter. Und der Vater gab die Halfter dem Sohn. In der nächsten Nacht traf es den mit Wachen, welcher etwas weniger gescheit war. Auch er gab dem Dummkopf zehntausend Goldtaler, damit der an seiner Stelle gehe.

In der zweiten Nacht ging es dem Dummkopfbis um elf Uhr gleich wie in der ersten. Dann aber gab es noch viel mehr Unheimliches als in der Nacht zuvor, und um Mitternacht erschien sein Vater wieder auf einem Pferd. Das Pferd trug einen goldenen Sattel und eine goldene Halfter. Und der Vater gab die goldene Halfter dem Sohn. Nachher ging der Dummkopf nach Hause.

In der dritten Nacht war das Wachen an ihm selber.

Als er auf dem Friedhof war und dort das Tor öffnete, hörte er einen Pfiff, und ein Hund sprang neben ihm hervor wie ein Blitz. Dieser Hund hatte auf dem Rücken sieben Farben. Nun wartete der Dummkopf bis Mitternacht. Dann gab es nochmals einen Pfiff, aber einen stärkeren, und einen Knall. Auf einmal war sein Vater da auf einem schwarzen Pferd. Das trug einen Sattel und eine Halfter aus Messing. Der Vater gab die Halfter aus Messing dem Sohn und sagte, jetzt habe er ihn aus dem Fegefeuer erlöst. Dann wies er ihn noch an, er solle die drei Halfter gut aufbewahren und vor seinen Brüdern verstecken. Der Dummkopf machte dies so, dann hockte er wieder hinter den Ofen und schmierte sich den Kopf mit Kümmelöl ein.

 

Nicht lange danach liess der König ausschreiben, wer seine Tochter heiraten wolle, müsse mit dem Pferd durch einen Reifen springen. Die beiden schlauen Brü­ der putzten sich flott heraus, gingen in den Stall, holten die schönsten Pferde hervor und ritten Richtung Königsschloss. Der Dummkopf dachte: «Geht nur, ich werde dann schon langsam hinterher kommen.» Er zog sich schön an und nahm die goldene Halfter. Sobald er sie in der Hand hielt, stand neben ihm ein schwarzes Pferd mit Sattel und allem. Der Dummkopf setzte sich darauf und ritt fort.

 

Beim Königsschloss sah er, dass viele Ritter gegen den Reifen hoch sprangen, und alle fielen auf den Rük­ ken. Da gab der Dummkopf seinem Pferd die Sporen und jagte wie ein Pfeil durch den Reifen. Zu Hause setzte er sich wieder hinter den Ofen und rieb den Kopf mit Lorbeeröl ein. Seine Brüder, die später heimkamen, wussten aber nicht, dass er auch dabei gewesen war. Der Dummkopf erzählte ihnen nichts, und er fragte sie, wie es ihnen gegangen sei. Die Brüder sagten, dass sie gegen den Reifen gesprungen und hinuntergefallen seien, dann sei einer auf einem schwarzen Pferd gekommen, der sei wie ein Pfeil hindurch.

Beim zweiten Mal war der König schlauer, und er sagte, er wolle den Vogel da schon fangen. Er hängte den Reifen viel höher und errichtete daneben ein Ge­ rüst mit Sitzreihen. Seine Tochter musste da Platz neh­ men, und er befahl ihr, dem Ritter, der durch den Reifen gesprungen sei, einen Schnitt zu versetzen. Da machten sich die Brüder wieder auf den Weg, um das Kunststück zu versuchen, später ging der Dummkopf langsam hinterher. Diesmal nahm er die silberne Halfter, und plötzlich stand wieder ein Pferd daneben. Da ritt er zum Königsschloss. Hier sprangen viele Ritter gegen den Rei­ fen hoch, doch sie kehrten alle um, weil sie nicht hin­ durch konnten. Der Dummkopf gab dem Pferd wieder die Sporen und schoss durch den Ring. Doch die Kö­ nigstochter konnte ihm mit der Schere ins Ohr schnei­ den. Darauf ging er nach Hause.

Nachdem seine Brüder zurück waren, fragte er sie, wie es diesmal gelaufen sei. Sie antworteten: «Nur einer ist hindurch gesprungen, und dem hat die Königstoch­ ter einen Schnitt ins Ohr verpasst» Der Dummkopf sass unterdessen hinter dem Ofen, schmierte seine Ohren mit einer Speckschwarte ein und machte Umschläge mit Schöllkraut.

Der König schickte Polizisten aus, um den Ritter mit dem Schnitt im Ohr zu suchen. Denn der war als einziger durch den Reifen gesprungen. Die Polizisten kamen ins Haus der drei Brüder. Sie sahen schon, dass die bei­ den gescheiten Brüder ohne Kennzeichen waren, aber sie fragten die bei den, ob sie nicht noch einen Bruder hät­ ten. Sie antworteten, doch, aber der sei nicht dort gewe­ sen, der habe genug damit zu tun, seinen Kopf mit Fisch­ tran einzuschmieren. Sie müssten ihnen diesen Bruder zeigen, befahlen die Polizisten. Als sie den Dummkopf sahen, packten sie ihn und rissen ihm den Verband ab. Sogleich merkten die Polizisten, dass er der Richtige war und schrien: «Der da ist esl- Die beiden Brüder befahlen dem Dummkopf, sich zu waschen und sich wie einen Prinzen zu kleiden. Dann gingen sie mit ihm zum König, wo er mit der Prinzessin Hochzeit machte.

Dort haben die Brautführer eine Abendgesellschaft gegeben. Ich habe zum Nachtessen die Suppe aufgetischt, dann hat man mir einen solchen Tritt in den Arsch gegeben, dass ich bis hierher geflogen bin.

 

 

35. DIE SPINNERIN

Ein armes Mädchen musste täglich spinnen bis zum Geht-nicht-mehr, sonst kriegte sie am Abend von ihrer Stiefmutter mehr Schläge als Brot.

Eines Tages, als das Mädchen von der Stiefmutter nichts als Drohungen zu hören bekam, ging sie in den Wald, um noch mehr spinnen zu können. Dort spann sie, bis sie den Faden kaum mehr halten konnte. Jetzt begann das Mädchen vor Schmerz heftig zu weinen und zu klagen. Da kam ein schäbiges altes Männlein daher und fragte, was ihr fehle. Das Mädchen sagte ihm, wie es war. Der Alte tröstete die Spinnerin und sagte, sie müsse ihm nur eine Weile die Läuse ablesen, dann wolle er schon dafür sorgen, dass ihr Garn gesponnen sei. Er be­ fahl ihr, die Läuse, die sie finde, in eine Dose zu legen und sie erst zu Hause zu töten. Das Mädchen suchte den Alten nach Läusen ab, und als sie viele gefunden hatte, pfiff der Alte durch die Finger. In dem Augenblick waren eine Menge Leute mit ihren Spinnrädern da und span­ nen für das Mädchen. Ganz getröstet nahm sie das Garn, denn so viel und so schön hatte sie noch an keinem ein­ zigen Tag spinnen können, und sie ging nach Hause.

Als sie der Stiefmutter das Garn zeigte, war es Gold.

In der Kammer oben wollte das Mädchen die Läuse töten, aber die hatten sich in kostbare Edelsteine verwandelt. Und das Mädchen war von nun an reich genug.

 

Quelle: Die drei Winde. Rätoromanische Märchen

aus der Surselva, gesammelt von Caspar Decurtins,

Ursula Brunold-Bigler (Übers. und Hrsg.),

Desertina Verlag,

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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