Der Teufelsstein in Vals

Land: Schweiz
Kategorie: Legende

Eine kleine Wegstunde ausserhalb Vals-Platz, hart am Wege nach Lugnez, findet der Wanderer einen grossen, aufrechtstehenden Felsblock, auf dessen Gipfel eine kleine Tanne gar fröhlich ihrer Existenz sich freut. - Dieser ist bei den Valsern unter dem Namen Teufelsstein bekannt. - Von ihm geht eine Sage:

Es lebte vor vielen Jahren zu Vals, im Thale, ein Riese Namens Schänni oder Schenni. Dieser Schenni war ein gar rauher und wilder Kumpan, aber zugleich auch der Schutzgeist und der Freund in Nöten für die Talleute, die ihn darum in hoher Verehrung hielten. Die Macht und das Ansehen, das der Schenni bei den Valsern sich er­worben, machten nun den Fürsten der Hölle neidisch; der gutmütige Riese kehrte sich aber nicht daran und ging allen Umstellungen des Bösen sorglich aus dem Wege. Der gedachte, den Schenni dennoch zu »überhö­hen«, ihm den Rang abzulaufen und dessen Herrschaft über die Valser sich selbst anzueignen.

Schenni kehrte nun einstens von der Arbeit heim (er hatte nämlich den Valsern bei einem Brückenbau die Balken gelegt, was sonst kein Anderer gewagt hatte) und trug unter dem Arme einen Raben, den er sich gross gezogen und den er überall mit sich nahm; auf der Schulter trug er einen mächtigen Fichtenstamm, welchen er heim zu nehmen gedachte. Arglos zog er seines Weges, als auf einmal der Rabe seiner Hut sich entwand, und, schrecklich krächzend, sonnenwärts flog. Der Riese, dem die Flucht seines Lieblings ungewohnt war, schaute zweifelnd ihm nach, und erkannte alsbald in dem Gefiederten seinen Schutzgeist, denn hoch oben über ihm hielt der Geist der Finsternis in den Lüften sich erhoben, einen grossen Felsblock in seinen Riesenkrallen tragend. - Schenni ahnte die Tücke des Widersa­chers und spielte den Arglosen, um denselben zu täuschen, ging ruhig seines Weges weiter, doch achtsam nach oben blickend. Der Fürst der Finsternis liess den Steinblock fallen und gedachte des riesigen Nebenbuh­lers dadurch sich zu entledigen, dass er ihn mit dem Stein zerschmettere. Schenni aber, der des Bösen Vorhaben vorausgesehen, sprang flugs zur Seite, und der Fels stürzte alsbald in seiner Nähe nieder, zersprang aber durch die Wucht des Falles in zwei Teile, von denen der eine aufrecht im Boden stecken blieb, der andere Teil an dessen Seite liegt. - Der Böse aber, der nach dieser grossartigen Kraftprobe seine ferneren Bemühungen, den Riesen zu verderben, überflüssig hielt, mied von da an das Tal; die Valser, froh darüber, den bösen Gast nicht als Statthalter bekommen zu haben, bewahrten dem Schenni nach wie vor ein dankbares Andenken. So viel ist richtig, dass das Geschlecht Schenni früher in Vals blühte, nun aber nicht mehr, und dass das Bild unseres Helden in der Kirche zu Pleif in Lugnez al fresco zu sehen ist; dort in Pleif soll er gestorben sein und begraben liegen.

Nach Andern ist die Sage vom Teufelsstein folgende: Vor mehr als hundert Jahren bauten die Valser in dem Weiler Camp eine Kapelle zu Ehren der heiligen Jungfrau. Das vernahm der Teufel, und bald hatte der sich ein Mittel ausgesonnen, um den Bau, den er erst gemächlich ausführen liess, nach seiner Art zu segnen, indem er das mit grossen Kosten aufgeführte Kirchlein in einer schönen Nacht in einen Trümmerhaufen verwandeln wollte. Zu diesem Zwecke suchte er sich eine halbe Stunde weiter talabwärts grosse Steinblöcke aus, um mit diesen die Kapelle niederzuschmettern. Er fand wirklich bald einen recht grossen und schweren, der ihm gerade zu diesem Zwecke hier zu stehen schien, und den auf den Rücken zu nehmen, er sich mit wahrhaft teuflischer Freude anschickte. Er schlug mit den Hörnern tief in das Gestein hinein, tat das Gleiche mit den langen, scharf bekrallten Fingern, hob ihn auf und flog mit ihm der Kapelle zu. Schon war er auf der Wiese angekommen - wo der Stein heute noch steht - da vernahm er ein gewaltiges Brausen; Blitze sprühten, Donner krachten und Winde heulten durch die Baumkronen. Dem Unholde ward der Stein immer schwerer und schwerer, denn die heilige Jungfrau drückte mit allgewaltiger Hand darauf und bildete Eindrücke in Form eines Kreuzes; - da plötzlich ein furchtbarer Krach, und der Stein spaltete sich in zwei Stücke, die polternd zur Erde stürzten. Wie der Teufel die zersplitterten Steinblöcke zur Erde fallen und somit seinen ersten Versuch misslungen sah, zudem von der entsetzlichen Anstrengung ganz erschöpft sich fühlte, liess er den Gedanken, die Kapelle zu zerstören, fahren, und kehrte, von Grimm und Ärger erfüllt, in sein Schattenreich zurück. An den Felsblöcken zeigt man heute noch die Löcher und Eindrücke, wo er die Hörner eingesteckt und mit den Krallen gefasst habe, sowie auch die von der heiligen Jungfrau eingedrückten Kreuze.

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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