Der Brautzeuge

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Grafensohn und Hirtin ruh’n im kühlen

Weidenschatten an des Baches Rand;

Ihre Herzen schon bei Kinderspielen

Fest die Liebe an einander band:

Wollen Hochzeit nun

(Wie die Kinder tun)

Halten, geben sich die kleine Hand. –

 

»Aber wenn Du gross und reich bist, Lieber,

Denkst Du wohl nicht mehr an Kinderscherz.«

»Weisst doch, dass ich niemals Jemand lieber

Hatt\' als Dich, und Dir bleibt auch mein Herz.«

Ja, so wollen wir

Uns versprechen hier,

Schönen Ernst zu machen aus dem Scherz. -

 

»Aber, Teurer, bei dem Eh \'versprechen

Sollte, däucht mich, doch ein Zeuge sein.« -

»Will von dieser Weid\' ein Zweiglein brechen

Und als Ring Dir tun ans Fingerlein.« -

»Zweiglein welkt und bricht

Gar zu leicht, d'rum nicht

Kann es uns ein guter Zeuge sein.« -

 

»Wie's mich hat erschreckt! – Hast gesehen

Dort das Schlänglein kriechen schnell vorbei?«

»Schlänglein, Schlänglein, lieblich anzusehen,

Unser Beider Liebe Zeuge sei;

Kommst ja wie bestellt,

Haben Dich gewählt,

Um zu mahnen an versprochene Treul« -

 

Sind seitdem verflossen lange Jahre,

Hat der Graf vergessen ganz und gar

Sein Versprechen; kniet, den Kranz im Haare,

Bei ihm eine And\'re am Altar,

Und die Hirtin treu

Stehet bang und scheu

Dort in der geschmückten Schwestern Schaar.

 

Und der Priester hat es schon gesprochen,

Auf den Lippen schwebt dem Paar das »Ja«,

Plötzlich sind die Reihen da gebrochen,

Schaurig drohende Gefahr ist nah'.

Durch den Kirchengang

Rollet eine Schlang',

Gross, wie man noch niemals Eine sah.

 

Wie die Farben schillern, Kämme wogen!

Wie sie züngelt, wie die Augen glüh'n!

Zum Altar in stolzgehob'nen Bogen

Zieht sie durch die stumme Menge hin;

Wie der Graf sie schaut

Wird im Herz ihm laut

Die Erinn'rung an die Schäferin.

 

Gleich hat er die rechte Braut gefunden,

Führt sie freudig zum Altare dort,

Kündet laut, wie sie sich einst gebunden,

Wie er jetzt nur lös' gegeb'nes Wort. –

Frei der Zeugenpflicht

Weilet länger nicht

Die geheimnisvolle Schlang' am Ort.

 

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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