Das Brautpaar von Stürvis

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Auf der luft'gen Bergeshalde,

Rings umstarrt von Eis und Schnee,

Über all' dem grünen Walde

Steht ein Dörfchen in der Höh'.

 

Winde sausen, Flocken fallen,

Schlagen an das Fensterlein

Einer Hütte, die vor Allen

Steht da draussen, ganz allein.

 

In der Stube kniet traurig

Eine Frau beim Christusbild:

Gott, wie ist die Nacht so schaurig,

Wie die Stürme graus und wild.

 

Und mein Sohn - zum Hochzeitsfeste,

Das so heiss sein Herz begehrt,

Wollt' er laden heut' die Gäste,

Und er ist noch nicht gekehrt. –

 

Laut, als wollt\'s mit seinen Schlägen

Sprengen gleich sein enges Haus,

poch't das Herz der Braut, - entgegen

Zog's zum Liebsten sie hinaus.

 

Grosser Gott, erhö\' mein Flehen!

Sieh' die Tränen, sieh' die Not!

Lass die Armen nicht vergehen!

Rette sie vom frühen Tod!

 

Auf der luft'gen Bergeshalde,

Rings um starrt von Eis und Schnee,

Über all' dem grünen Walde

Ragt ein Felsen in die Höh'. –

 

Hell von Schnee und Eis umgossen,

Glänzt er wie ein Marmelstein,

Nur dass Niemand in die Sprossen

Grub noch eine Grabschrift ein. –

 

Von dem Gipfel weht die Tanne

Wie aufs Grab die Trauerweid',

Nur, dass sie der Hoffnung Fahne

Trägt, und nicht sich beugt zum Leid.

 

Und es schaut des Himmels Bläue

Hoch herunter, rein und klar;

Schön wird unterm Bild der Treue

Ruhen hier ein bräutlich Paar. -

 

Morgen früh von Klagetönen

Laut am Fels die Luft erschallt,

Doch die Reizendste der Schönen

Liegt erstarrt und bleich und kalt.

 

Bräutlich angetan sie lieget,

Wie geschmückt von Gotteshand:

Weicher Schnee sie lind umschmieget

Als ein hochzeitlich' Gewand.

 

Statt der Rosen, von dem Reifen

Ist die Stirne ihr besäumt,

Lustig war des Windes Pfeifen,

Doch der Bräut'gam hat gesäumt. –

 

An des Felsens and'rer Seite

Lehnet seine Leich' am Stein:

Müde von des Weges Weite

Schlief er hochzeitträumend ein.

 

Ahnte nicht, dass wenige Schritte

Nur von ihm die Liebste weilt',

In des Lebens schönster Blüte

Hat der Tod Beid' jäh ereilt.

 

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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