Der Schmied von Surava

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Der Blasbalg gahrt, die Esse sprüh't,

Das Eisen knistert rot geglüh't,

In schwerer Zange dreht's der Schmied

Und singt dabei ein böses Lied.

 

Ein böses Lied von Brand und Blut.

Der alte Schmied, er sang es gut;

Er sang es gut, trotz Müh' und Schweiss

Aus vollem Hals, der wilde Greis.

 

Da tritt beim letzten Abendschein

Ein Jüngling in die Werkstatt ein,

Mit Ränzel tritt er ein und Stock

Und braunem, wallendem Gelock'.

 

»Gott grüss' Euch, Meister! spricht er keck;

Da steh' ich auf dem alten Fleck,

Wo - Zang' und Hammer in der Hand –

Ich noch vor wen'gen Jahren stand.

 

Aus deutsch- und welschen Landen kehr'

Ich gen Surava wieder her,

Es zog mich heim, d'rum will ich, traun,

Mir eigen Nest und Wesen bau'n.« -

 

Da blitzt des Alten Aug' vor Wut

Noch glüh'nder als der Esse Glut;

Doch zwingt er sich zum Lächeln schnell:

»Willkomm' du wackerer Gesell;

 

Fürwahr, fürwahr, du tatest klug!

Der Arbeit trifft sich hier genug,

Auch bin ich alt, - kaum mag ich mehr:

Der Hammer wiegt mir schon zu schwer.

 

Schon wiegt der Hammer mir zu schwer,

D'rum Segen deiner Wiederkehr,

Komm' mit herauf in's Wohngemach

Und nimm vorlieb mit Trunk und Dach.

 

Auch ruh' bei mir die erste Nacht,

Dein altes Lager ist gemacht;

Dort leg' dich hin und streck' dich aus

Und denk' du sei'st im Vaterhaus.«

 

Der Jüngling folgt mit trautem Sinn;

Bald sitzen sie im Stübchen drinn' -

Ihm mundet Brod und Fleisch und Wein,

Und dann der Schlaf im Kämmerlein.

 

Der Meister wünscht ihm sanfte Ruh',

Und riegelt selbst die Türe zu:

»Ruh' friedlich, Sohn! und ungeneckt,

Selbst wenn dich Balg und Hammer weckt!

 

Kann sein, dass ich schon morgen früh

Die Funken dort an\'s Fenster sprüh':

's ist eine Arbeit, die zum Schluss

Ich in der Eile bringen muss.«

 

Der Alte geht und lacht und murrt,

Schnallt fester sich den Ledergurt,

Steigt in die Schmiede dann zurück,

Durchkramt sein Eisen, Stück für Stück.

 

Ein lang gestabtes wählt er dann,

Stösst's in die Glut, so tief er kann,

Und tritt den Balg und schürt den Brand

Und drillt die Stang' mit flinker Hand.

 

Und als es glühte, rot wie Blut,

Riss er das Eisen aus der Glut,

Schwang's in den Lüften wie ein Blitz

Und härnmert's auf dem Ambos spitz. -

 

Und als es war, wie es gesollt,

Und als es war, wie er's gewollt,

Da lacht' er grimm in sich hinein:

»So wird es g'rad' nach Wunsche sein.«

 

»So wird es g'rad' nach Wunsche sein,

Vom Widerpart mich zu befrei'n,

Eh' noch die nächste Stunde schied,

Ist in Surava nur ein Schmied!«

 

Er lehnt sich auf den Ambossitz,

Prüft mit der Hand die Eisenspitz',

Und als im Turm es Zwölfe klang –

Hui, wie er frisch zur Esse sprang.

 

Den Eisenstab, den er gekürt,

Stösst in die Glut er, frisch geschürt,

Und tritt den Balg, und facht den Brand,

Und drillt den Stab mit flinker Hand.

 

Und als das Eisen rot wie Glut,

Reisst's er heraus mit stummer Wut;

Trepp' auf dann, leise däuselt er,

Die glüh'nde Stange vor sich her.

 

Die leuchtet knisternd seinem Gang,

Und als er in die Kammer drang,

Fiel all' das grelle rote Licht

Aufs stille Jünglingsangesicht.

 

Und auf die unbewachte Brust,

Die stolz sich hob in Traumeslust ....

Da, plötzlich wie ein Wetterstrahl

Senkt sich hinein der glüh'nde Stahl.

 

Senkt zischend sich hinein der Stahl;

Der Jüngling zuckt in kurzer Qual -

Ein weisser Dampf – ein greller Schrei –

Ein dumpf Gestöhn – dann war's vorbei.

 

Dann war's vorbei. Doch grinsend schaut

Der finst're Greis und spottet laut:

»Nun bist du tot, der erst noch rot,

Mir aber bleibt mein täglich' Brod!«

 

Und siegreich schwingt er seinen Hut

Und seinen Stab voll Glut und Blut;

Die Funken fahren in den Lein,

Die Kammer steht in Flammenschein.

 

Da strebt hinaus der wilde Greis;

Doch ein Gesicht, wie Schnee so weiss,

Und eine Brust, von Stahl durchbohrt,

Sperrt ihm die Tür', lässt ihn nicht fort.

 

Und heiss und heisser leckt der Brand,

Schon fasst die Lohe sein Gewand,

Sie ringelt zischend sich um ihn -

Er kann nicht flieh'n und kann nicht flieh'n!

 

Und seine Angst durchheult die Nacht,

Die Nachbarn sind darob erwacht;

Sie kamen eben, als das Dach

Des alten Schmied's zusammenbrach.

 

Man fand ihn, kohlschwarz wie die Nacht. –

Doch Jener, den er umgebracht,

Lag unberührt vom Flammenhauch,

Ein Gotteszeug' in Schutt und Rauch.

 

Den Alten hat man gleich verscharrt

Am Ort, wo er gefunden ward;

Doch der ermordete Gesell

Empfing ein Grab an heil'ger Stell'!

 

Waldrosen wachsen d'rum und d'ran

Und Myrth' und blauer Enzian;

Doch auf des Mörders Grab gedeiht

Kein' edle Blüth' in Ewigkeit.

 

Da wuchern Dorn' und Nesseln blos,

Auf schwarzen Mauern fahles Moos,

Der Eul' und Fledermaus Versteck,

Ein grauser und verfluchter Fleck.

 

Da geht zu Zeiten schwarz und stumm

Der Meister von Surava um,

Bewacht den Ort, wo er gehaust,

Das glüh'nde Eisen in der Faust.

 

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)