Das alte Pferd

Land: Schweiz
Region: Ajoie
Kategorie: Fabel/Tiermärchen

Es war einmal ein Bauer, der hatte ein altes Pferd. Da es zu nichts mehr nütz war, jagte er es fort. Als das Pferd so dahintrottete. begegnete es einer alten Sau.

»Sau, wo gehst du hin?« fragte das Pferd.

»Ich weiß es auch nicht. Meine Leute haben mich weggeschickt, weil ich keine Ferkel mehr kriege.«

»Setz dich auf meinen Rücken, ich trage dich.«

Es ging weiter, und sie trafen einen alten Hund.

»Hund, was ist mit dir?«

»Ich tauge nicht mehr fürs Haushüten. Meine Herrschaft hat mich fortgejagt.«

»Also setz dich auf meinen Rücken, ich werde dich tragen.« Eine Weile später begegneten sie einer alten Kuh. Das Pferd fragte: »Was machst du da, Kuh?«

»Ich bin zu alt zum Kalben. Meine Leute haben mir den Laufpass gegeben .«

„Spring auf meinen Rücken, ich trage dich.«

Als es ein Stück weiter getrottet war, traf es einen alten Ochsen. »Wohin des Wegs, Gevatter Ochs?«

»Ja, meinen Karren kann ich nicht mehr ziehen, da hat mich der Bauer fortgeschickt.«

»Setz dich zu den andern auf meinen Rücken. Ich trage dich.« Ein paar Schritte weiter saß eine alte Henne am Wegrand. »Was machst du so allein auf weiter Flur, Henne?«

»Bei mir ist es aus mit dem Eierlegen. Sie konnten mich nicht mehr brauchen auf dem Hof.«

»Komm, flieg auf meinen Rücken. Ich nehme dich huckepack.«

Das Pferd ging weiter und stieß auf einen alten Hahn. »Ei, wohin, Herr Hahn?«

»Ich hab' kein Ziel. Meine Leute haben mich weggejagt, weil ich keine Hennen mehr treten kann.«

»Na, dann komm auch du auf meinen Rücken.« Gleich darauf begegneten sie einem Kater.

»Was tust du hier, Kater?«

»Ich kann nicht mehr Mäuse fangen. Da wollte mich die Bäuerin nicht länger behalten.«

»Setz dich auf meinen Rücken. Ich trage dich.«

Schließlich kam das Pferd zu einem leerstehenden Schloss, das einer Räuberbande gehörte. Es setzte die Sau auf den Misthaufen, den Hund zur Tür, die Kuh in den Stall, den Ochsen in die Scheune, die Henne in einen Wasserkübel, die Katze in die Asche, den Hahn auf den Rauchfang. Das Pferd selbst ging in die Kornkammer hinauf.

Mitten in der Nacht kamen die Räuber zurück. Als das Schwein die Ankömmlinge erblickte, fiel es sie an. Sie liefen zum Tor und wollten sich im Schloss in Sicherheit bringen. Am Tor aber stand der Hund und biss sie in die Waden. Sie flüchteten in den Stall. Dort ging die Kuh mit den Hörnern auf sie los. Sie rannten in die Scheune, aber der Ochs hob sie am Hintergestell hoch. Als sie aus dem Eimer Wasser trinken wollten, schlug die Henne mit den Flügeln und bespritzte sie von oben bis unten. Sie langten in den Aschenkasten nach Eiern, da sprang der Kater auf, füllte ihre Augen mit Asche und kratzte sie. Sie hoben den Kopf und sahen in den Kamin hinauf, ob wohl der Speck noch dort hing. Just in dem Augenblick ließ der Hahn seinen Dreck auf ihre Nasen fallen. Schließlich stiegen sie auf den Heuboden. Das Pferd schlug aus, so dass sie die Stiege wieder hinunterpurzelten. Die Räuber bekamen es mit der Angst zu tun und verließen fluchtartig das Schloss. Den Nachbarn erzählten sie, das Schloss sei voll Diebe, die ihnen den Eintritt verwehrten.

»Im Hof standen Mistauflader und stachen mit ihren Gabeln nach uns. Wir liefen zur Tür. Dort warteten Knechte, die unsere Waden mit Zangen zwickten. Dann rannten wir in den Stall, wo uns der Anführer der Schurken mit einem Hammer nach dem Leben trachtete. Als wir in die Scheune flüchteten, bekamen wir mehr Hiebe mit dem Dreschflegel ab, als wir sie unseren Feinden wünschen. In der Küche haben uns die Wäscherinnen ganz durchnäßt. Als wir aus dem Aschenkasten Eier nehmen wollten, streuten uns die Köchinnen Asche in die Augen. Schließlich sahen wir nach dem Fleisch im Kamin; dort waren die Maurer und warfen uns Mörtel ins Gesicht. Zu guter Letzt wollten wir vom Dachboden Korn holen. Dort machten sich aber die Kornmesser zu schaffen und schlugen mit dem Scheffel auf uns ein, hierhin und dorthin und mit einer solchen Wucht, dass ich bis zu euch hergeflogen bin.«

 

Aus: R.Wildhaber, L. Uffer, Schweizer Märchen, Diederichs 1971, erzählt in Miécourt, Berner Jura

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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