Der letzte Schlossherr auf Guardavall

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Siehst du den Turm im Abendstrahl,

Auf hohen Felsen dort?

Das war die Feste Guardavall,

In grauer Zeit des Landes Qual,

Voll Tyrannei und Mord. –

 

Du, Wandrer, der die Strasse ziehst,

Steh still und blick empor;

Steh still, und hör im ernsten Lied

Wie diesen Mauern, zornentglüht,

Das Volk Verderben schwor. –

 

Einst ging auf diesem Felsennest

Ein Ritter aus und ein;

Ihn floh der Landmann wie die Pest,

Dem Schurken war kein Schloss zu fest,

Kein Heiligtum zu rein. –

 

Der sah einmal von seinem Turm

Ein Mägdlein, zart und jung;

Da regt sich der Begierde Wurm

Und seines Herzens wilder Sturm

Erheischt Befriedigung. –

 

Und zu des Mägdleins Vater sandt

Er seiner Knechte Schaar;

Die drohten wild mit Mord und Brand,

Und forderten von dessen Hand,

Was ihm am liebsten war. –

 

Und Adam hört es unverzagt,

Es blitzt sein Auge kühn;

Doch mässigt er sich klug und sagt:

»Ich bringe, wenn der Morgen tagt,

Das Mägdlein selber hin.« -

 

Kaum sind die Henkersknechte fern,

Stürmt er von Haus zu Haus:

»Sind wir denn Hunde dieses Herrn?

Ein Hund trägt solche Schande gern!«

So ruft er wütend aus. –

 

Kaum wird im Dorf die Sache kund,

So lodert Aller Wut,

Und Jeder schwur mit Hand und Mund:

»Er soll es büssen, dieser Hund!

Wir wagen Gut und Blut.« -

 

Und Morgens früh, im Dämmerschein,

Ertönts im Tale laut;

Und froh herauf von Madulein

Führt Adam nun sein Töchterlein,

Geschmückt wie eine Braut. –

 

Und ihnen wallte wohlgemut

Ein Brautgefolge nach;

Das murmelt leis von Rach und Blut,

Von Tyrannei und Übermut

Und von erlittner Schmach. –

 

Von Oben sah mit Henkerslust

Der Bösewicht den Zug;

Es pochte seine geile Brust,

Und, Seiner selbst sich unbewusst,

Eilt er hinab, im Flug. –

 

Und nahte sich dem holden Kind,

Mit bösem, wüstem Scherz;

Jetzt packte, wie ein Wirbelwind,

Nun Adam ihn und stiess geschwind

Den Dolch ins schwarze Herz.

 

Da krümmt er heulend sich am Stahl,

Da strömt sein Blut hervor.

Er sinkt, - und sein Guardavall, -

Erst noch ein Schrecken für das Tal –

Flammt lichterloh empor. –

 

Und jubelnd ziehn die Sieger nun

Hinab, ins freie Tal.

Jetzt dürfen sie im Frieden ruhn,

Kein Vogt wird ferner Böses tun:

Denn tot ist Guardavall. –

 

Siehst du den Turm im Abendstrahl,

Hoch überrn Tannenkranz?

Das war die Feste Guardavall,

Sie fiel durch unsrer Väter Stahl

Mit allem ihrem Glanz. -

 

Quelle: Volksthümliches aus Graubünden, D. Jecklin, vollständige Neuauflage, Berlin 2014

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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