Das Nachtvolk (Pfäfers)

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Von Fronfastenkindern wird zu gewissen Zeiten das Nachtvolk gesehen.

Voran kommen der letztverstorbene Pfarrherr und Mesner im Chorhemde, dann die zwei letztverstorbenen Bewohner der Gemeinde und endlich die noch Lebenden, welche innert Jahresfrist sterben werden. Sie begeben sich je zu zweien in der Nacht um 12 Uhr betend zur Kirche.

Einige Nächte vor Ausbruch der Pest hörte ein in der Nähe der Kirche wohnender Mann auf der Strasse beten. Er sprang auf, schlüpfte schnell mit dem einen Fusse in das eine Hosenbein und begab sich zum Fenster. Ein Schaudern durchzuckte ihn. Da zog vor seinen Augen eine grosse Prozession vorbei, gewiss die halbe Einwohnerschaft von Vättis. Am Ende des Zuges kam einer allein; dessen einer Fuss steckte in den Hosen, die er in beiden Händen trug; der andere Fuss war unbedeckt. Als er dem Verspäteten in das Angesicht sah, erkannte er in demselben sich selbst. Er wusste jetzt, dass er das Nachtvolk gesehen habe, dass ein "Sterbet" bevorstehe und er selbst das letzte Opfer sein werde. In der Morgenfrühe sagte er dieses im Pfarrhaus.

Am folgenden Sonntag meldete der Seelsorger den Gläubigen, was ihrer warte, und ermahnte alle zum Gebet. Nach einigen Tagen hat der schwarze Tod seinen Einzug in Vättis gehalten, und die Totenglocke begann zu läuten.

Jeden Sonntag verkündete der Pfarrer von der Kanzel aus, wie viele Opfer die nächste Woche heischen werde, und forderte immer wieder zum Beten auf. So ging es fort, bis der Letzte kam. Innert sechs Wochen waren in der kleinen Gemeinde 134 Personen von der Seuche dahingerafft worden.

Noch heute wird vielfach vom damaligen "Sterbet" geredet, und der Name des letzten Opfers ist noch bekannt; sein Wohnhaus steht noch.
L. Jäger.
 

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 216, S. 105

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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