Kaiser Karl der Grosse, die Schlange und der Edelstein

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Kaiser Karl und die Schlange

Zur Zeit, da Kaiser Karl das Grossmünster baute, wohnte er oft und lange in Zürich. Er hielt sich in seinem Hause, gleich neben dem Grossmünster auf, das den Namen hatte „zum Loch“, und das er sich selbst errichtet hatte.

Damit reich und arm zu ihrem Rechte kommen sollten . . .‚ liess er eine Säule aufrichten und ein Glöcklein daran hängen, an dem Ort, wo die Stadtheiligen enthauptet worden waren. Er liess jedermann verkünden, wer Recht begehre, der könne, wenn der Kaiser beim Mittagsmahl sitze, dieses Glöcklein läuten, und er wolle ihn anhören.

Als darnach einige Zeit verstrichen war und der Kaiser zu Tische sass, hörte er läuten. Er schickte sofort einen Diener, um nachzuschauen, wer des Rechtes beqehre, aber er fand niemanden. Kaum war er vom Platze weg, so läutete man wieder. Dies geschah zum dritten Male. Da befahl der Kaiser, dass man beobachte, wer das täte. Da kam ein grosser Wurm, hängte sich ans Glockenseil und läutete. Dies verkündete man dem Kaiser. Der stand vom Essen auf und sagte, man solle einem unvemünftigen Geschöpfe ebenso das Recht lassen wie den Menschen.

Und als der Kaiser an den Ort kam, da verneigte sich der Wurm und kroch voraus gegen eine Reuse im Wasser, wohin er seine Eier gelegt hatte. Es hatte sich aber darüber eine grosse Kröte gesetzt. Als der Kaiser und all sein Hofgesinde sahen, dass der Wurm Rechts begehrte gegen die giftige Kröte, sass er zu Gericht und urteilte, dass sie verbrannt werden solle.

Einige Tage, nachdem das Urteil vollstreckt worden war, als der Kaiser wieder am Tische sass, erschien der Wurm am Hofe. Das ward dem Kaiser kundgetan, und er befahl, ihn einzulassen und ihn nicht zu hindern in seinem Vorhaben. Die Schlange kroch zum Kaiser hin, verneigte sich vor ihm, wand sich auf den Tisch, stiess den Deckel von seinem Trinkgeschirr und liess einen edlen Stein hineinfallen. Dann kehrte sie sich um, verneigte sich vor dem Kaiser und ging von dannen.

Dieses grosse Wunder, und auch, dass die seligen Heiligen auf dieser Hofstatt . . . gemartert worden waren, bewegte den Kaiser, zu ewigem Gedächtnis . . ein Gotteshaus dahin zu bauen. Dieses wurde die Wasserkirche genannt, deswegen, weil meistenzeits das Wasser darum ?iesst.

Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Stadt Zürich und Zürichsee
Nach Brennwald I, 88, ins Neuhochdeutsche übertragen, sonst unverändert

 

Karl der Grosse und der Edelstein

Den Edelstein behielt der Kaiser und hielt ihn für ein gar köstliches Kleinod. Er schenkte ihn aus Liebe seiner Gemahlin. Der Stein barg eine wunderbare Kraft: Seitdem die Kaiserin ihn trug, mochte sie Karl nicht mehr verlassen, sie musste immer bei und um ihn sein. Nun . . .  ward die Kaiserin krank. Sie hatte aber des Steines Kraft erkannt und fürchtete, wenn eine andere Frau ihn erhielte, würde der Kaiser jene liebgewinnen und sie vergessen. In ihrem letzten Augenblick nahm sie den Stein unter ihre Zunge und verschied. Sie wurde alsobald nach kaiserlichen Sitten einbalsamiert und begraben. Aber der Kaiser, der nicht ohne sie leben konnte . . . liess sie wieder ausgraben und führte sie tot 18 Jahre mit sich, wohin er sich begab.

Am Hofe lebte ein Ritter, der dachte, dass dies von des Steines Kraft käme; er untersuchte die Tote und fand den Stein unter ihrer Zunge. Sobald dies geschehen war, liess der Kaiser sie begraben und dachte nicht mehr an sie, sondern nur noch an den Ritter, der den Stein besass. Was dieser Ritter auch begehrte, stets willfahrtete ihm der Kaiser. Das währte einige Zeit, und man fing an, von dem Kaiser und dem Ritter Übles zu erzählen. Da nahm der Ritter diesen Stein, und als er einst mit dem Kaiser von Köln wegritt, warf er das Kleinod beim warmen Brunnen in den Sumpf, damit es niemandem mehr gehören solle.

Selbigen Augenblicks verliess der Kaiser den Ritter und gewann so grosse Liebe zu dem Ort, dass er die Stadt Aachen darin baute.

Quelle: K. W. Glaettli, Zürcher Sagen 1970, Stadt Zürich und Zürichsee
Nach Brennwald I, 90, ins Neuhochdeutsche übertragen, sonst unverändert.

 

 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)