Der Leithund

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

 a) Im »hohlä Gässli« zu Luzern, nach andern zu Brunnen, lebte »imm-änä chlynä Tatschihüsäli« ein Schuhmacher; der war ein grosser Zauberer, von Zeit zu Zeit schwamm er durch den See, die Reuss und den Schächen bis nach Bürglen im Kanton Uri. Dort fügte er den Leuten grossen Schaden zu, indem er den Kühen mit einem dünnen, spitzen Stecklein die »Burdi«, d.h. die Gebärmutter, zerstach. Endlich fragten sie einen fahrenden Schüler oder einen Geistlichen um Rat. Der sagte ihnen, sie sollten einen Leit- oder Bluthund sich verschaffen, der ihnen die Fährte des Zauberers aufsuchen würde. Wenn ein Hund neun Mal nacheinander je neun Junge wirft, so ist beim neunten Mal der neunte ein Leithund. Lange suchten und forschten sie, bis sie Einen fanden, der ein solches Tier besass. Er war bereit, es ihnen zu Diensten zu stellen, wenn ganz Bürglen für ihn Bürgschaft leiste. Das geschah, und sie bekamen den Bluthund. Dieser fand die Spur des Übeltäters, verfolgte sie an den Schächen, sprang dann in den Bach und schwamm durch die Reuss und den See bis nach Luzern. Einige Leute folgten ihm in Schiffchen. In Luzern (Brunnen) lief er geraden Weges auf das hohle Gässchen zu, sprengte dem Schuhmacher die Haustüre ein, traf ihn in seiner Butig auf dem Stuhle sitzend – er war ein kleines Mandli –, sprang ihm an die Gurgel und tötete ihn sofort. Von da an hatte das Vieh Ruhe vor diesem Kerl.

Weil ganz Bürglen für den Hund bürgen musste, oder weil sie ganz Bürglen für ihn in Versatz als Bürgschaft geben mussten, hat der Ort den Namen Bürglen erhalten.

Michael Imhof von Isental, 80 J. alt; Frz. Aschwanden, Seelisberg, u.a.m.

b) Nach anderer Erzählart brachte der Schuhmacher tötliche Krankheiten unter das Vieh oder sogar unter die Menschen. Der Bluthund spürte ihn nahe bei der Attinghausener Brücke, wo der Schächen in die Reuss mündet, im Gebüsche auf.

Joh. Jos. Imhof von Göschenen, 70 J. alt

c) In der Alp Fiseten hatten sie auf Rat eines Kapuziners einen »Gleitshund« angeschafft und beim ersten Rind, das fiel, laufen lassen. Er lief über den Klausen, durch das Schächental nach Altdorf, durch die Axenstrasse nach Brunnen und rannte dort die Türe zu einer Schusterbude ein. Als der Hirt, der dem Hunde gefolgt, in die Bude trat, hatte der Hund den Schuster zu Fetzen zerrissen. Aber die Krankheit hörte auf.

Schriftl. von Kapl. Truttmann

d) In der Ruossalp verderbte es ihnen immer viele Rinder. Endlich holten sie Rat bei einem fahrenden Schüler. Der sagte, er besitze einen Hund, der neun Junge geworfen habe, und, wenn ein Hund beim ersten Wurf neun Junge werfe, so sei einer von ihnen ein »Gleithund« und mit besondern Gaben gegen alles Böse und gegen allen Zauber ausgestattet; aber man erkenne ihn erst, wenn er grösser geworden, am Fressen; er frisst nicht wie andere Hunde, sondern eher wie ein Mensch. Er wolle ihnen den seinen leihen, wenn die ganze Gemeinde Bürglen (sie bekam erst hievon den Namen) für ihn bürge. Der werde ihnen den Zauberer, der ihnen solchen Schaden zufüge, schon aufspüren. Nun, die Bürgschaft wurde geleistet, der Hund kam nach Ruossalp, wurde losgelassen, rannte direkt dem Muotatal zu und bis nach Brunnen. Die Älpler ihm nach. Zu Brunnen, vor dem kleinen Häuschen eines Schuhmachers, blieb er stehen. Hier war also der Zauberer! Die Älpler erschraken. Es war nämlich der Mann, der ihnen jeweilen die Rinderfelle um geringen Preis abgenommen hatte. Was sie mit ihm gemacht, weiss ich nicht, ich meine, sie sprengten ihn in den See.

Josef Walker, Flüelen, 18 J. alt

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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