Die Geschichte von einem, der nicht gern arbeitete

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Es war einmal ein Bursche, der arbeitete nicht gern, er war ein wenig ein Fauler. Da fiel es ihm ein, sich beim Militär anwerben zu lassen. Er ging in eine Stadt und kam in das Heer des Königs. Im Militär machte er sich gut und kam voran. Besonders am Schiessen hatte er Gefallen und schoss auch sehr gut. Er stand vier Jahre im Dienst des Königs, dann beschloss er heimzugehen, sich einen Stutzer zu kaufen und Jäger zu werden. Es war ein schöner Tag, die Sonne brannte, und er musste lange reisen, bis er zu Hause war. 
Er kam in einen Wald, wollte ein wenig ausruhen und legte sich hin. Es ging nicht lange, so kam ein Herr zu ihm, und sie begrüssten sich. Der Herr fragte ihn, ob er ein guter Jäger sei, ob er einen Bären schiessen könne. Der andere bejahte dies. Bald darauf trabte ein gewaltiger Bär daher. Der Jäger nahm sein Gewehr, zielte, schoss und traf den Bären genau in den Kopf, so dass der sich nicht mehr regte. Da sagte der andere, wenn er das tun wolle, was er sage, dann habe er Geld genug. Der Jäger fragte: «Nun denn, worum geht's? Wenn es mir möglich ist, so will ich's tun.» - «Du darfst den Bart nicht abhauen, die Haare nicht schneiden und die Kleider nicht wechseln, und ganze sieben Jahre lang musst du auf dem Fell dieses Bären schlafen. Wenn du das kannst, wird es dir nachher gut gehen.» Der andere erwiderte, das wolle er tun. Der Herr gab ihm einen Beutel voll Geld und sagte: «Hier kannst du fortwährend herausnehmen, der Beutel ist immer voll.» 

Als der Herr ihn in das Bärenfell gehüllt hatte, trennten sie sich. Er ging weiter und kam zu einer Wirtschaft, wo drei Mädchen waren. Die musterten ihn und sagten heimlich zueinander: «Das ist jetzt ein hässlicher Kerl.» 

Als er mit dem Abendessen fertig war, sagte er, er möchte jetzt schlafen gehen. Die Mädchen sagten, er könne im Zimmer neben der Stube schlafen. Er trat ein, breitete sogleich das Bärenfell aus und legte sich darauf Er schlief sogleich ein. Aber langsam erwachte er wieder, denn in der Stube hörte er ein Stöhnen und Seufzen. Er stand auf und ging hinaus; es war der Wirt, völlig verzweifelt. Er klagte, er habe ein ziemlich grosses Vermögen gehabt und habe davon auf gute Worte hin einem Mann geliehen und geliehen, und jetzt sehe er, dass er nichts mehr zurückerhalte. Er besitze nichts mehr und müsse Schulden machen. Das sei das Wenigste, meinte der andere, wenn es nur das sei, dem könne er schon abhelfen. Wie viel er brauche. Der Wirt antwortete so und so viel. Sie begaben sich hinter den Schanktisch, und dort zahlte der mit dem Bärenfell dem Wirt alles aus. Dann legten sie sich wieder schlafen. Der Wirt schlief gut hinterher, die schwere Sorge war er los. Am Morgen dankte der Wirt seinem Wohltäter und sagte, er wolle ihm auch einen Gefallen erweisen und fragte, was er ihm geben könne. Der andere erwiderte, er möchte dafür eine seiner Töchter zur Frau, dann brauche er dieses Geld nicht mehr zurückzugeben. Der Wirt antwortete, er wolle die Töchter rufen und sie fragen. Zuerst rief er die Älteste. Die wollte nichts von dem mit dem Bärenfell wissen, und die Mittlere auch nicht. Dann kam die Jüngste, und sie warf einen Blick auf den Vater und danach auf den Gast und antwortete: «Da du ein Herz für meinem Vater hattest, habe ich auch ein Herz, dich zu heiraten.» Darauf nahm er einen Goldring hervor, brach ihn entzwei, gab die eine Hälfte dem Mädchen und sagte: «Ich gehe jetzt für sieben Jahre weg, dann komme ich zurück, und wir halten Hochzeit» 

Dann brach er auf. Manchmal schrieben sie sich ein Brieflein, und die älteren Schwestern ärgerten die Jüngste und machten sich lustig über ihren Bräutigam. Sie habe da einen «Schönen», an dem könne sie grosse Freude haben. Das Mädchen war zufrieden, obwohl sie diese Reden schmerzten, denn sie hatte ihn im Herzen nicht ungern, sie liebte ihn. Die Ärmste musste sieben Jahre lang immer die Vorwürfe und den Spott der Schwestern mit anhören, und am Schluss verleidete es ihr, so dass sie sich in ihr Zimmer zurückzog und sich nur noch wenig zeigte. Die letzten Jahre schrieb der Bräutigam seltener, und dann sagten die andern Schwestern: «Jetzt schreibt er dir nicht einmal mehr, dieser ‹Schöne›.» Sie schwieg immer still. 

Die sieben Jahre waren um. Am Tag danach ging der Bräutigam wieder dorthin, wo er den Bären geschossen hatte. Dann kam der Mann. Sie begrüssten sich, und jener Mann sagte: «Jetzt hast du die sieben Jahre hinter dich gebracht, jetzt kannst du machen, was du willst, denn du hast alle meine Bedingungen erfüllt» Nun wollte der Mann ihn verlassen, doch der andere schrie ihn an: «Nein, nein, so geht das nicht, jetzt musst du mich herausputzen.» Der Mann kehrte um, oder jener Herr, nahm den andern her, wusch ihn und putzte ihn heraus und kleidete ihn ordentlich, und aus unserm armen Schmutzfink wurde ein schöner Herr. Dann trennten sie sich. 

Er machte sich auf den Weg zu seiner Braut, um sie zu heiraten. Er ging in die Wirtschaft, und als die Älteste diesen schönen Burschen sah, begann sie Komplimente zu machen und wusste nicht, was alles auftragen, damit der Mann ein Auge auf sie werfe; und die zweite kam auch herbei und tat dasselbe, und jede dachte, sie bekomme ihn. Da fragte er den Wirt, ob er nicht noch eine Tochter habe. «Doch, doch», antwortete der Wirt, «aber die ist im Zimmer oben, die ist am liebsten allein und grübelt vor sich hin, die hat mit Männern nichts am Hut.. Doch der Gast hiess den Wirt, seine Tochter zu rufen. Sie riefen sie, und sie kam, und er sagte, sie sollten ihr einen Sessel hinstellen und ein leeres Weinglas reichen. Sie gaben es ihr, und er sagte zum Mädchen, sie wollten zusammen aus einem Glas trinken. Er schenkte dann den Wein ein, doch dabei liess er seinen halben Goldring unbemerkt ins Glas fallen, woraus sie dann zusammen tranken. Mit der Zeit entdeckte sie etwas im Glas drin. Sie nahm ein Messer und holte damit den halben Ring heraus. Da rief sie, sie habe auch einen halben Ring und glaube, dass diese zwei Hälften zusammenpassten. Sie rannte ins Zimmer hinauf, holte ihre Hälfte, setzte beide zusammen, und sie passten genau. Da sagte sie: «Du bist gewiss mein Bräutigam»; er lächelte und sagte ja. Er sei gekommen, um Hochzeit zu halten. Und als die andern zwei das hörten, gerieten sie sich in die Haare und gingen mit beiden Fäusten aufeinander los, stürzten zur Tür hinaus, nahmen beide einen Strick, rannten bis zuoberst, öffneten ein Fenster, und alle beide erhängten sich. Und ein anderer Herr, welcher der Teufel und als Gast in jenem Haus war, öffnete ein Fenster und sagte: «Ich habe zwei und du nur eine.»

Und die andern beiden hielten Hochzeit und hatten es recht miteinander.

(Schams)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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