Die Sage von der Teufelsbrücke

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

a) Ein Urner kam aus dem Wälschland heim und war voll Lobes über den herrlichen Wein, der dort wachse. So etwas Mildes und Stärkendes zugleich gebe es in der ganzen Welt nicht wieder. Alle hätten gern von dem Weine gehabt. Wenn sie aber davon ins Urnerland führen wollten, so mussten sie eine Strasse und mehrere Brücken bauen. Das hatten die Urner bald begriffen und schickten Landammann und Rat an Ort und Stelle, um einen Bauplan zu entwerfen.

Aber wie sie in der Schöllenen so an der hohen Felswand über der schäumenden Reuss standen, da wusste keiner einen Rat, und fast verzweifelnd rief der Landammann: »Da bau der Teufel eine Brücke!« Kaum hatte er das Wort gesagt, so stand der Teufel vor ihm. »Was gebt ihr mir, wenn ich sie baue? Schlagt ein: der Erste, der über die Brücke kommt, sei mein.« So sprach der Böse und schwenkte seine grausige Gabel. Die Herren überlegten, und jeder dachte bei sich: »Mich trifft es nicht.« »Nun ja, so seis«, sprach der Landammann, »aber in drei Tagen muss die Brücke fix und fertig sein.« Der Landschreiber nahm's zu Protokoll, der Teufel freute sich unmässig über den guten Handel und ging sogleich ans Werk. Und sieh, als die Urner nach drei Tagen wieder kamen und nachsahen, da stand die Brücke im kühnem Bogen über die grausige Tiefe gespannt. Aber am jenseitigen Ende sass der Schwarze und wartete auf den versprochenen Ersten, der herüberkäme. Da dachten die Urner: »Das Warten wird dir schon verleiden.« Als aber der Teufel von der Stelle nicht wankte noch wich, da wurde ihnen die Sache allmählich doch unheimlich; denn keiner wollte so mir nichts dir nichts in die Hölle fahren, und mancher sagte im stillen: »Den Teufel soll der Teufel holen, wenn er nun nicht bald geht!« Der ging aber nicht. Nun hatten die Urner einen gar klugen, weisen Ratsherrn. Der sprach zu der Landsgemeinde: »Ich hab zu Hause einen gar kriegerischen Geissbock. Sieht der irgendwo zwei Hörner, so stürmt er gewiss darauf los. Wenn der nun über die Brücke rennt, so muss der Teufel mit ihm, als dem Ersten, vorlieb nehmen.« Gesagt, getan. Im Schweisse des Angesichts schleppten sie das Tier in die Schöllenen, und richtig, kaum erblickte der Geissbock am andern Bort die gehörnte Gestalt, so rannte er in gewaltigen Sätzen über die Brücke auf sie zu, und frohlockend riefen die Urner: »So, das ist der Erste, den magst du behalten!« – Da schrie der geprellte Teufel in seiner Wut: »Euch Urner alle soll der Teufel holen!«, eilte hinunter in den Wassenerwald und holte einen haushohen Stein; damit wollte er die Brücke zertrümmern. Schon hatte er mit der schweren Last bereits Göschenen erreicht, da begegnete ihm ein altes Mütterchen und redete ihn an: »Ei, guter Freund, pressiert's denn so sehr? Ihr keucht euch ja zu Tode. Stellt ab und verschnaufet ein wenig!« Der Teufel dachte: »Die Brücke entläuft mir nicht« und stellte ab. Das Mütterchen schlüpfte aber rasch um die Ecke des Felsblockes, kritzelte ein Kreuz in den Stein und ging davon. Wie der Teufel wieder aufladen wollte, witterte er gleich etwas Unrechtes. Er drehte und wendete den Stein, und wie er das Kreuz erblickte, da liess er Stein und Brücke stehen und lief davon, was er nur laufen konnte. Seit der Zeit, sagt man, hat er sich im Urnerland nicht mehr gezeigt. (Aus dem Lesebuch für die Oberklasse der Primarschulen des Kantons Uri).

b) Zufolge einer Variante wurde der Teufel überlistet, indem man einen hungrigen Hund an die Brücke brachte, ein Stück Brot (äs Muttschli) oder Fleisch ihm vorhielt und über die Brücke warf, worauf das Tier gierig der Lockspeise nachsprang und so als der Erste hinüber ging. Satan zerriss den Hund in tausend Stücke. (Aus Lütolf 180, 114b. Beide Varianten leben im Volksmund).

c) Dem Franzosen Ramond, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Urschweiz bereiste, sagte man, der Architekt der Brücke sei ein Luzerner gewesen und habe den Geschlechtsnamen Teufel geführt, dessen Familie noch blühe. (Aus Lütolf 180, e).

d) Der Teufel warf einen Stecken nach dem Ziegenbock und schlug ihm fast den Schwanz ab, daher die kurzen Schwänzchen der Ziegen.

Franz Kempf, Bürglen

e) Der Teufel ergriff die Ziege beim Schwanze, der abriss. Seitdem haben alle Ziegen kurze Schwänze.

f) Der Teufel schlug dem Hund ein Bein ab, daher sieht man die Hunde so oft auf drei Beinen hoppen.

Franz Kempf, 40 Jahre alt, Bürglen

g) Der Teufel versetzte dem Hunde einen Fusstritt in die Seite, daher die Hunde schräg laufen.

Josef Maria Gisler, Bürglen

Quelle: Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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