Das goldene Kegelspiel (Ruchenberg/ZH)

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Im Graubündnerland gibt's eine Schloßruine, heißt Ruchenberg und liegt zwischen den schönen Ortschaften Trimmis und Zizers. Dort gespenstert's seit alter Zeit.

Eines Nachts ging ein Bauer, der sich den Tag über lustig gemacht hatte, an der zerfallenen Burg vorbei. Da vernahm er von dem Gemäuer her ein seltsames Aufschlagen. Es war, als schlüge jemand mit Eisenhämmern daran. Verwundert blieb er stehen und schaute zur Burg hinauf.

Da sah er durch die Bäume einen hellen, roten Schein. Wie er genauer hinsah, war ihm, als sehe er allerlei gespenstige Gestalten sich um die zerfallene Mauer herum bewegen. Dabei ging ein unablässiges Aufblitzen durch Baum und Strauch, als ob man bei der Burg Feuer aus den Mauern schlüge.

Obwohl ihm bei der Geschichte nicht recht wohl war, übernahm ihn doch die Neugier. Er wollte sehen, mit wem er's da droben zu tun habe. So machte er sich behutsam näher ans Schloß heran, und auf einmal stand er in einem hellen Schein, denn die Schloßmauer war ringsum taghell erleuchtet.

Schnell drückte er sich in den Schatten eines gewaltigen Baumes. Und da sah er von der Schloßmauer aus auf dem glatten Rasen ein glänzendes Kegelspiel stehen, neun Kegel aus lauter lötigem Gold. Und nicht weit weg davon standen drei Ritter in klirrenden Eisengewändern. Aber ihre Waffen lagen an der Mauer. Ein jeder hielt eine goldene Kegelkugel in der Hand und schob sie mit Macht nach dem goldenen Kegelspiel, also daß die einfallenden Kegel aufschlugen und weithin klangen. Der Bauer schaute dem mitternächtigen, wunderlichen Spiel eine Weile zu, und da er sich auch aufs Kegelschieben verstand und sonntags immer einer der ersten auf dem Platze war im Dorfwirtshause, wenn es galt, ein Schaf auszukegeln, so ärgerte er sich, daß die drei Ritter nie alle neune zu werfen vermochten, wie sehr sie sich auch anstrengten.

Wie sich nun die Ritter, ermüdet, ein wenig abseits niederlegten und zu schlafen schienen, ertrug der Bauer das untätige Dastehen nicht länger. Er wollte einmal versuchen, ob er's nicht besser könne als die drei starken, geharnischten Ritter. Dabei hatte er aber im Sinne, sich gleich nach dem ersten Wurfe mit einer der goldenen Kugeln, die bei den Rittern lagen, davonzumachen.

Sachte schlich er zum Kegelplatz. Und als er sah, daß die Ritter mit geschlossenen Augen dalagen und fest zu schlafen schienen, ergriff er eine der glänzenden Kugeln, wog sie ein paarmal nach Keglerart auf der Hand, stellte sich dann vor das Laufbrett, maß mit den Augen und zielte. Dann holte er mit Macht aus und schob die Kugel ab, wobei er ein Bein hochzog und mit beiden Armen in der Luft herumfuhr, als wäre sein Bein das Steuer und seine Arme die Ruder der abgeschnellten Kugel. Heidi, wie sauste die goldene Kugel davon! Es wetterleuchtete nur so die Schloßmauer entlang, und pauz pardauz! schoß sie in die Kegel hinein, daß alle klingend übereinanderpurzelten.

"Alle neune!" lärmte der Bauer vor Freude. Und vom Schlosse aus antwortete ein geisterhaftes Echo! "Alle neune!"

Da schrien die Ritter auf, es gab einen gewaltigen Lärm rings um das Schloß, ein Donnerschlag geschah, und mit einem Male versanken Ritter, Kugeln und Kegel in der Erde. Der helle Schein verschwand, und jetzt stand der Bauer zitternd, mit schlotternden Knien, allein im finsteren Schloßwald. Wie er sich aber von seinem gewaltigen Schrecken erholt hatte, machte er, daß er schleunigst weiter kam, und sein Lebtag bereute er, daß er den Mund nicht hatte halten können, denn gewiß hätte er die Ritter erlösen und das schöne goldene Kegelspiel gewinnen können.

Quelle: Meinrad Lienert, Schweizer Sagen und Heldengeschichten, Stuttgart 1915

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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