Im Gemeindewalde von Rohrdorf ist ein Felsstein von der Größe eines Waschhauses. Unter diesem hauste ein feuriger Drache, lang wie ein Wiesbaum, dick wie ein Jauchenfaß. Er schlief des Nachts unter dem Steine, aber um Mittag flog er feuersprühend übers Feld bis zu einer Eiche draußen auf der Blöße. Da fraß er die zwei Schafe, die ihm die Rohrdorfer täglich unter den Baum legen mußten; fand er nichts, so kam er ins Dorf, und riß Vieh und Menschen nieder. Viele Jahre trieb er sein Wesen, bis die Gemeinde einen großen, weißen Stier aufgezogen hatte, der sieben Jahre lang nie aus dem Stall gekommen war. Nach sieben Jahren ließ man ihn heraus. Er lief gerade auf das Feld, wo der große Drache beim Mittags- fraße lag. Wie dieser ihn erblickte, schoß er hinter ihn her und beide kämpften so heiß, daß das Blut wie ein Bach von ihnen floß. Das Volk sah in größter Erwartung von weitem zu und als endlich keins der beiden Thiere mehr sich regte, wagte man nach und nach dem Kampfplatz näher zu gehen. Der Drache war zu Aller Freude todt, aber auch der Stier, der die Leute von der Landplage erlöst hatte, lag entseelt neben ihm im Blute. Der Fels, unter dem der Drache gehaust hat, soll Drachenstein geheißen haben, und man meint, er habe vor langer Zeit bei der Hemmetschwyler-Trotte gelegen, da wo jetzt des Jose Haus steht gegen das Dorf Bellikon zu.
Man benennt dorten eine Landstrecke nach ihm noch die Steinmatten.
Die Sage hängt zusammen mit dem „Uristier an der Neuß". Von ihr handelt besonders Cappeller hist. mont. Pilati 1767. pag. 120. Derselbe erinnert auch, daß dieselbe Begebenheit bereits von hist. nat. Polon. 246 vorgebracht wird und zwar über Craco, den Erbauer Krakaus; denn dieser läßt einem Drachen, statt der täglich von ihm verzehrten drei Rinder, drei mit Pech ausgefüllte Kalbshäute vorsetzen, und das Unthier trinkt nach diesem Fräße so unersättlich aus dem Weichselstrom, daß es birst. Sebast. Münster, Cosmographen, Basel 1567 berührt dieselbe polnische Sage und nennt sie mit Recht eine dem Propheten Daniel nacherzählte. Warum sie gleichwohl hier mit eingereiht steht, wird sich aus
Anmerkung No. 245 „Bachthier in Entfelden" ergeben. Nicht zur Freß- und Saufgier des Untereres, sondern zu den Einflüssen, die der Drache auf Korn- und Weinbau hatte, gehört es, daß der Drache zu Brügge mittelst eines Schlaftrunkes, den ihm die Bürger reichen, erschlagen werden kann. Wolf, Ndl. Sag. No. 88.
Band 2, Quelle: Ernst L. Rochholz, Schweizer Sagen aus dem Aargau, Band 2, Aarau, 1856, Seite 1
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.