Wild Mannli und die Gems-Käslein

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Ein wild Mannli hatte eine Menge zahmer Gemsen, die es molk und süsse Käslein machte. Solche teilte es zuweilen unter die schönsten Mädchen des Tales aus, weswegen die Käslein ein bekannter und beliebter Leckerbissen wurden. Aber niemand kannte deren Zubereitung, welche letztere weit besser schien als die gewöhnliche Käsebereitung. Alle Versuche, das Mannli bei seiner Arbeit zu belauschen, waren vergeblich. Eine einzige Person hatte Zutritt bei ihm, ein armes einäugiges Kind. Dieses wurde im Tale oft befragt und konnte nichts anderes antworten als dass es in der Höhle schön sei, die Käslein gut schmeckten; vor der Bereitung aber singe das wild Mannli so lange, bis es (das Kind) einschlafen müsse. Ein schlauer Bruder des Kindes schlich sich nun einmal in dessen Kleidern hinauf in die Höhle. Das Mannli hielt ihn für seinen Liebling und zeigte auf eine Schichte getrockneten Moos. Da hinein kroch der Schlaue und betrachtete von diesem Versteck aus die Höhle. Sie war hoch weit und rein gehalten, mit Moos und Alpenblumen phantastisch geschmückt. Zierliche, kleine Gefässe aus Bergkristall mit Gemsmilch gefüllt standen längs der Wände in Reihe. Das Mannli trat an den Eingang der Höhle und pfiff.

Scharen von Gemsen kamen und wurden in die kristallenen Gefässe gemolken. Der Knabe lauschte gespannt, denn er dachte, jetzt wird das Käsen beginnen. Da fing das Mannli jenen eintönigen, einschläfernden Gesang an, von welchem das einäugige Kind erzählt: «Einäugelein! Schlaf ein!» Es sang so lange, bis das eine Auge des lauschenden Knaben einschlief. Aber das andere wachte und schaute umso gespannter durch die Lücken des Mooses. Da gewahrte das Mannli das boshaft lächelnde, schimmernde Auge, sah, dass jemand anders als sein Einäuglein da sei. Es stiess einen gellenden Schrei aus, entfloh und wurde nie mehr gesehen. Die Gemsen scheuten fortan die ihnen früher so liebe Höhle.  

Aus: U. Brunold-Bigler, Die Sagensammlung der Nina Camenisch, Disentis 1987, mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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