Mia Varmy

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Als der gestrenge und ratfeste Herr Jost Ammann, Bürger von Freiburg im Uechtlande, auf dem hohen Felsenschlosse zu Ruw als Landvogt seiner gnädigen Herren und Obern sass, liess er am 1. März des Jahres 1634 der christlichen Wiedergeburt ein Weib von Ecublens vor sich erscheinen, Mia Varmy genannt, Witwe des Jakob Blanche. Im ersten Verhör wurde Mia über ihr wüstes Leben und ihre Verbrechen peinlich befragt; sie bekannte aber nur wenig, unter anderm, sie habe mit einem Knecht ein uneheliches Kind gezeugt. Am andern Morgen legte man das Weib zum zweiten Male auf die Folterbank, da gestand es folgendes: "Vor achtzehn oder zwanzig Jahren begegnete ich zu ès-Mollian einem grossen schwarzen Manne, der mir den Kopf kratzte, weil ich geflucht hatte, und dem ich Unterwürfigkeit und Gehorsam versprach: es war der Teufel, Gabriel genannt, mit dem ich einen Bund geschlossen habe. Zwei Jahre später kam er zu mir ins Haus und verlangte Lämmer von mir. Ich gab sie ihm einige Zeit hernach, das eine ob dem Dorfe und das andere ob der Stadt Ruw; um sie fangen zu können, hatte sich der Teufel in eine lange Stange verwandelt. Ein ander Mal versprach mir der schwarze Mann, mich reich, ja sehr reich zu machen; er gab mir viel Geld, allein es waren meistens gelbe, dürre Eichenblätter, und darunter nur zwei gute Goldschillinge. In dem Mollian ergab ich mich dem Teufel, indem ich Gott verleugnete und ihm entsagte, Gabriel für meinen Herren und Meister annahm und ihm huldigte, worauf er mich, als ich ihm die Rute geküsst hatte, beim Nacken und Halse anpackte und mir seine Krallen eindrückte." Bei diesem grässlichen Bekenntnisse bekreuzigten sich der Landvogt, die Schöppen, der Schreiber und die Weibel, worauf, nachdem sie dazu aufgefordert worden war, Mia darum ihr Sündenkenntnis fortsetzte, wie nachsteht:

„Bei Granges," so fuhr die Witwe fort, "gab mir Gabriel ein Pulver, um Menschen und Tiere zu töten. Die nächtlichen Hexentänze (Schetta) hatten an verschiedenen Orten statt, unter andern bei der Brücke über die Broye, Montet, Granges, Villeneuve usw. Bei einem derselben tanzte man den Reigen um ein bläuliches Feuer, wo man gebratene Tiere ass, oder Most und Branntwein trank, der dem Urin einer Stute glich. Einige Hexen und Hexenmeister waren vermummt; zwei Teufelchen schürten das Feuer an, indem sie um dasselbe hüpften und sprangen. Gabriel, der grosse Teufel, verlangte meine Kinder von mir; allein ich verweigerte sie ihm."

Nach diesen Bekenntnissen liess man die Hexe ruhen, aber nicht lange; denn sie wurde zum dritten Male auf die Folterbank gelegt, und zwar mit einem Gewichte von hundert Pfunden, worauf sie unter der Marterqual bekannte:

"Ich habe ferner," rief sie stöhnend, "zu Granges eine Ziege und ein Kalb getötet, ein Kind zu Stäffis-am-See, eine Geiss und eine Katze zu Villards-Bramaré, sowie mehrere Tiere. Zu diesem Ende war es hinreichend, ein gewisses Pulver mit Salz, Brei oder Holzäpfel

(Schetzéron) zu vermengen, oder ein besonderes vom Teufel erhaltenes Pulver in den Mund zu nehmen, um den Atem zu vergiften. Wenn das Obst auf den Bäumen oder das Korn verdorben werden mussten, so schlug ich nur mit einer weissen Weidenrute auf das Wasser in den Brunnentrögen, und sogleich erhob sich ein Nebel, der sich in einen verderbenden Reif oder in ein Hagelwetter verwandelte. Vermittels eines gewissen Haares, das mir der Meister gab, konnte ich mich willkürlich in einen Wolf umgestalten, um Stuten, Pferde und Ziegen zu töten, welche wir dann zusammen assen."

Man verdoppelte die Qualen, um ihr noch mehr Bekenntnisse zu entpressen.

"Ja," schrie die Hexe, "ja, vier Mal hat mir Gabriel im Bette Gesellschaft geleistet, er war aber so kalt, wie ein Eiszapfen."

"Ja," rief Mia endlich, "ja, alles was ich bekannt habe, ist wahr; ich will als Christin leben und sterben, wenn mir Gott und meine gnädigen Herren die Gnade gewähren, die ich von ihnen erflehe."

Am 15. März 1634 wurde Mia Blanche, geborene Varmy, verfällt, lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.

Den 17. des gleichen Monats und Jahrs wurde das Urteil durch den Rat zu Freiburg bestätiget, und am 20. vollzogen, die Hexe aber zuvor an empfindlichen Stellen ihres Körpers mit einer Zange gezwickt, damit sie durch diese Marter zur Angabe aller Genossen ihrer Greueltaten gezwungen werde.

C. Kohlrusch, Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und anderen gedruckten und handschriftlichen Quellen, Leipzig 1854.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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