Die geschlossene Legi

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor vielen und vielen Jahren, da waren in Ozen, dem Mittelläger der Alp Sefinen, nur kleine Hütten mit einem einzigen Raum zur Zubereitung des Käses und unter dem Dach die Gasterra für die Sennen. Das Vieh nächtigte im Värrich neben der Hütte. Seit Menschengedenken war es hier oben gang und gäb, dass man die oberste Legilatte (Latte eines Pfercheinganges) nicht schloss, warum, das kann man noch zur jetzigen Stund nicht sagen, es war Brauch und damit basta!

Da geschah es nun einmal, dass ein junger Schlingel, der noch kaum wusste, wie das Wasser macht, wenn es kocht, an einem Abend mit Fleiss die oberste Legilatte schloss und sie mit Steinen verkeilte. Alle Mahnungen des alten Käsers schlug der junge Älpler lachend in den Wind: "Und wenn der Teufel rittlings drauf sässe, den obersten Legisparren stoss ich ins Loch von jetzt an, grad zum Trotz!"

Als sie nach des Tages hartem Werk oben auf der Gasterren die müden Leiber im Bergheu streckten, da fiel der Schlaf über sie. Aber, als die erste Stunde des neuen Tages begann, da klopfte es heftig an die Dachrafen, und eine Stimme rief wie zu einer tiefen Höhle heraus: "Tiöt d’Legi uf — ooh — tiöt d’Legi uf!" Der Käser drauf: "So, du Spritzlig, dass du mir auf der Stell gehst und dich nicht zum Lügner machen lassest, der Böse wird jetzt wohl etwa rittlings auf der Latte sitzen." Der Junge aber schenkte dem Alten nicht Ohr und tat, als ob ihn das nichts anginge. Da aber klopfte es zum zweiten Mal, dass die Hütte zitterte. Es lüpfte den Gasterrenboden unter ihnen, Schindeln flogen wie Streueblätter, die blinkenden Sterne schauten auf das Gelieger nieder, und es war doch so windstill, dass keine Flaumfeder eine Elle weit geflogen wär. Für den Jungen war jetzt das letzte Bott (Aufgebot) erlassen, er auf und hinunter. Grad wie er den Sparren aus den Stangen riss da fuhr — tschiii — eine feurige Zyssa (Strahl) links an ihm vorbei, und ein weisser Esel sprang über die andern Sparren und fort. Auf dieser Seite war es ihm, als hätte er einen Misstritt getan; er ging wochenlang stocklahm, und am Morgen hatte er einen geschwollenen Kopf, der war so gross und prall wie ein reifer Kürbis.

Seit dieser Nacht blieb die oberste Legilatte im Värrich des Ozenlägers immer offen.

Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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