Das weisse Kronschlängli

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Am Bachlehn ob Gimmelwald kam einst ein armer Bauer seit langem um den Taggewinn von einer Kuh. Setzte er sich zur morgendlichen oder abendlichen Melkzeit auf seinem Einbein unter sie, so gab sie keinen Tropfen Milch. So sehr er das Tier auch hätschelte und tätschelte und die Zitzen beim Vormelken mit Schmer bestrich, er brachte weder Tran noch Zyssa (Strahl) aus ihr. Andern erging es auch so, und doch war das Tier kerngesund und glatt wie ein Schär.

Darauf haben einige Gimmelwaldbauern Tag und Nacht gelusset, wer da melken gehe. Aber da ging keiner weder zu noch fort. Hernach hatte sich der Bauer einmal schon zu Beginn der Schlafenszeit auf die Barnilatten gesetzt. So um Mitti Nacht herum hörte er im Stall ein feines Zischen; er steckte Licht an, und dann war es richtig da, das weisse Schlängli mit dem guldigen Krönli uff. Von dem glimmte ein mattblauer Glanz wie ein Leuchtguog. (Leuchtkäfer) Unter der Kuh bäumelte es auf, wippte unruhig hin und her und hängte sich ihr gierig ans Euter. Verscheuchen liess es sich nicht, und als er versuchte, es mit einem Stecken ums Leben zu bringen, da zischte es züngelnd gegen ihn und bannte ihn mit giftigem, bösem Blick. Wie stechende Wehtat legte ihm ein schaurigkalter Schreck die Glieder lahm, und er wusste auf einmal, dass er das falsche Trom ergriffen und hier Menschenmacht völlig nichts verschlug.

Auf der Nachbarn Rat zügelte er mit der Kuh für ein paar Tage in ein abgelegenes, nicht mehr nutzbares, verwettertes Gehalt. Rasch hatte sich die der Milch aufsetzige Kronschlange an den neuen Stall gewöhnt und sog wieder Nacht für Nacht das Euter leer. Unversehens trieb an einem Abend das Bäuerlein die Kuh wieder in ihren frühem Stall.

In der Nacht darauf lusseten die Gimmelwalder der weissen Kronschlange auf. Sobald sie das Zischen im Stall drinnen vermerkten, schlossen sie rasch Fellbalkenladli und Zuglöcher und zündeten das wackelige Scheuerlein an allen vier Ecken an. An den wurmstichigen, altersmürben Rundbalken prasselte der Flackerschein im Nu empor. Grausig färbte bald die Feuerröti die Busenflühe. In stiebendem Funkenregen knackten die Dachrafen ein, und als die First in einer sprühenden Garbe krachend fiel, da war es dann gekommen, das weisse Schlängli mit dem guldigen Krönli uff. Alle die Bauern haben es gesehen zur höchsten Stichflamme in den brandroten Nachthimmel ausfahren und in Asche zerstieben.

Aber als der Bauer am andern Morgen in den Stall zur Kuh kam, die die weisse Kronschlange so lange genähret, da hatte die gläserne Augen, lag steif und kalt.

Quelle: Hans Michel, Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Wengen 1936.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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