Der alte Lötscher und das Lauwitier 3. Teil - Goldbachlawine

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

«Müssen alle sterben, die das Lauwitier erwischt?»

«Oh nein, aber es muss uns schon der Schutzengel helfen, sollen wir aus einer Lawine wieder herauskommen. Die Golnbachlawine hat einmal einen Hirten überrascht, der von Unterbächen zurück nach Kippel wollte. Schon beim Brachudstein hörte er das Tosen in den Bergen und meinte, der Wind stehe eben auf und fange an zu wehen. Kaum einige Schritte weiter sieht er im Schluck die Golnbachlawine kommen.  Als er meinte, der Wind erhebe sich, ist eben die Lawine angebrochen. Schnell springt der Hirte zurück unter den Golnbachsteg. Die Lawine donnert über den Steg, aber dessen runde Stämme halten den Schneemassen stand, so dass dem Hirten kein Leid geschieht. Noch am gleichen Tage wird der Hirte vermisst und vermutet, er sei in der Golnbachlawine begraben. Die Kunde verbreitet sich schnell, und Männer aus allen Dörfern kommen schneehauen und schaufeln, um den Verunglückten zu suchen. Dieser hört die Hauen einschlagen und die Männer reden, während seine Stimme, mag er noch so laut schreien, an der Oberfläche nicht vernommen wird. Am meisten schmerzt ihn, hören zu müssen, wie sein Weib und seine Kinder an die Unglücksstätte kommen und um ihren vermissten Vater erbärmlich jammern und weinen. Die Lawine bleibt gefühllos und hält den Vater gefangen in ihrem kalten Kerker. Am Abend des ersten und zweiten Tages hört er, wie die Männer nach dem letzten Hauenschlag ihm die ewige Ruhe wünschen, alle Hoffnung aufgebend, ihn lebend zu finden. Endlich am dritten Tage vermag er selbst, sich aus der Gefangenschaft zu befreien, nachdem er mit dem Taschenmesser Tag und Nacht in dem harten gepressten Schnee gearbeitet hatte. Es brennen noch einige Lichter im Dorfe, als er vor seine Haustür kommt und an der Türschwelle den Schnee von den Schuhen klopft. Die Mutter hat eben die Kinder zu Bette gelegt und ist in der Stube am Spinnen. Seit drei Tagen rollen ihr fast unaufhörlich die Tränen über die bleichen Wangen, denn sie hält sich für eine verlassene Witwe und ihre Kinder für arme Waislein. Hätte ihr Mann wenigstens mit den heiligen Sterbsakramenten versehen sterben können. In diesem Augenblick tritt der Mann in die Stube. Die Frau meint, einen Geist zu sehen so elend sieht er aus, und ruft: «Bist du lebendig oder tot?» Gott der Herr hat ihr den Mann lebendig wiedergeschenkt. Die unschuldigen Kinder haben jeden Tag für ihren Vater gebetet. Unschuldige Kinder sind selbst Schutzengel ihrer erwachsenen Angehörigen und haben jedenfalls schon oft solche vor dem Lauwitier gerettet.

Quelle: J. Siegen, Sagen aus dem Lötschental, Erweiterte Ausgabe der Gletschermärchen (1905), Lausanne 1979.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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