Half der Gott!

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Das Amt eines Nachtwächters im Dorf versah zu seiner Zeit einer mit Namen Flück, genannt d’s Jellis. Sein Dienst bestand darin, bei anbrechender Dunkelheit die Öllaternen in den beiden Hauptgassen anzuzünden, das Feuer zu behüten, bei einem Brandausbruch die Löschmannschaft aus den Betten zu hornen und die Stunden zu rufen:

„Etz bin-i uf der Abendwacht;

I winschen allen en gueti Nacht!

An der Gloggen hed’s Zwelfi g’schlagen.“

Nacht für Nacht schlurfte d’s Jelli die Oberdorfgasse dorfauswärts bis zum Trachtwirtshaus und die Unterdorfstrasse zurück, wo sich dann der Kehr im Dorfteil am Nussbaum schloss. Unterwegs hatte er bei dem schlechten Petrollicht die Augen zu brauchen, auf und unter den breiten Schwardächern der Dorfhäuser nach verdächtigen Räuchlein und Feuerteufelchen Umschau zu halten, etwa auch Lärmmachern Manieren beizubringen und Schelmenwerk ruchbar zu machen; umsonst zahlte ihn die Gemeinde kaum.

Er tat den Dienst ja gut und gerne. Wenn so gar nichts zu merken und zu tun war, die liebe lange Nacht, half ihm der Tabak die Zeit verkürzen, oder im Winter bei Schnee und Biswind ein Schlückchen Selbstgebranntes aus dem grünen Schoppen in der weiten Manteltasche. Nur eines drückte ihn je länger je übler.

Allemal, wenn er im Oberdorf am Friedlerbrunnen vorbeiging, hörte er es aus dem Finstern heraus niesen. Hatschi! Nicht überlaut, aber doch so, dass es das laufende Brunnenwasser deutlich übertönte.

Zuerst hatte er sich dessen nicht geachtet. Aber als er es jeden Abend wieder und auf jedem Gang hörte, kam ihm die Sache ungemütlich vor. Er berichtete den Leuten davon.

Eines Tages gab ihm jemand den Rat, wenn er den Geist in der folgenden Nacht wieder niesen höre, zu sagen: „Hälf der Gott!“ Der Niesende sei eine arme Seele, die nicht zur Ruhe kommen könne, bis sie durch den Zuspruch eines Lebenden erlöst werde.

D’s Jelli befolgte den Rat. Noch gleichen Abends verstummte das „Hatschi“ beim Friedlerbrunnen für immer und der Nachtwächter brauchte sich nicht mehr zu ängstigen, sobald er die Brunnstube von weitem plätschern hörte.

Quelle: Albert Streich, Brienzer Sagen, Interlaken 1938.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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