Frau Ute

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

In uralter Zeit, da in den Tälern des Berner Oberlandes noch die Sitte herrschte, dass sich die Jungfrauen von allen Jünglingen streng zurückhielten, kam zu jedem sich folgenden Menschengeschlecht aus dem wildesten Hochgebirg eine steinalte, graue, von den Jahren gebeugte Frau. "Ute die Gute" hiess sie. Von dem Augenblick an, dass Menschen ihren Fuss auf jenes Gelände gesetzt und daselbst gehaust hatten, war sie gekommen, wenn auch niemand das Obdach kannte, wo sich die Alte während der Zeit ihres Fernseins aufhielt. Frau Ute die Gute sah scharf und war an seltenen Künsten reich, obschon sie lebenssatt, kraftlos und mehr tot als lebendig zu sein das Aussehen hatte. Geschäftig trippelte sie von Hütte zu Hütte, lud alles Hausvolk an die Tür griff den Mädchen ans Kinn, sah sie mit blinzelnden Luchsaugen an und endigte jedesmal mit dem Reimen:

Du, du, du, ja du!

Diesmal wieder Ruh.

Hätt’ ich keine gefunden mehr,

Litt’ ich siebenmal so schwer.

Dann nahm sie lächelnd das Mädchen, zu dem sie den Spruch gesagt, bei der Hand. Selbander ging es darauf weiter. Ohne zu fragen, ohne einen ungeschickten Gang zu tun, ohne zu zaudern, schritt sie mit ihrem Schützling geradehin nach dem Hause des reichsten, besten und schönsten Junggesellen im Tal. Dem legte sie die Hand des Mädchens in die Rechte, sah ihn nickend an und hinterliess in seinem Herzen eine Liebe voll Inbrunst zu der, welcher sie ihre Gunst zugewandt und welche sie dem Jüngling dergestalt vorgeführt hatte. Allemal aber kam eine glückliche Hochzeit zwischen den Beiden zustande.

Alle Talleute jubelten, jedermann lud sich zur Hochzeit ein. Niemals aber hat irgend ein Vater, irgend eine Mutter die Wahl der Frau Ute für Sohn oder Tochter abgeschlagen: denn jedes Mal war das Mädchen als die Reinste unter den Reinen im ganzen Talgelände erfunden, der Jüngling als der Beste von den Besten.

Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910. 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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