Strüdeljaggi

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Doktor Jaggi selig, der vor vielen Jahren in Gsteig, einem einsamen Seitentale des Saanenlandes, wohnte, verstand sich auf die geheimen Künste. Er vermochte unter anderem auch Vieh und Menschen "gstellen", das heisst an irgend einem Vorhaben, gut oder bös, zu verhindern. Er war nämlich im Besitze der berühmten, aber seltenen Strüdelbücher, welche die magischen Künste lehren. Darum sei sein Leib auch nach seinem Absterben brandschwarz geworden. Einmal kam ein armes Bäuerlein vom Gsteigboden zu Strüdeljaggi und bat ihn, er möchte die Schelmen "gstellen", die allnächtlich seine Kirschbäume plünderten. "Find ein Rosseisen," schnurrte ihn der Wunderdoktor an, "aber eines mit sieben Löchern drin, nicht mehr und nicht minder. Nimm das Eisen und vergrab’s um die Mitternachtsstunde am Kreuzweg, der zu deinen Bäumen führt." Da erschrak das Bäuerlein und wollte mit der Sache nichts zu schaffen haben, bat aber den Doktor, ihm doch in seinem Schaden behilflich zu sein. Das versprach endlich der Doktor und das Männchen drückte sich. In der Nacht - Samstag nacht war’s gerade - stand der Strüdeljaggi im Gsteigboden und wartete der Nachtbuben. Kaum waren sie auf den Baum gestiegen, sagte er seinen Spruch. Gebannt waren die Schlingel und vermochten kein Bein mehr zu rühren. Als am Sonntag morgen die Leute zur Predigt gingen, waren die beiden zur eignen Schande noch auf den Kirschbäumen. Erst als es ausgeläutet hatte, kam Strüdeljaggi dazu und löste den Bann unter der Schelmen Geheul mit seinem Stock aus Alberholz.

Schlimm war er auch, der Strüdeljaggi. Kam einst ein Bäuerlein aus der Bissen zu ihm, das weit und breit im Tal als Geizhals bekannt war. Es klagte dem Wunderdoktor wie zu Hause seine Säue verstrüdlet worden seien. Dafür sollte nun des Doktors Kunst in Anspruch genommen werden. "Hast etwa noch vom ferndrigen (letzjährigen) Schweinen?" fragte der Strüdeljaggi behende. "So ein Brosamlein davon werde wohl noch da sein", erwiderte der Gefragte. Daraufhin der Wundermann: "Gibst du nicht das Letzte vom letztjährigen heraus, so ist uns der Strüdel überlegen und du, dein Weib und deine Kinder haben’s zu büssen." Das machte dem Mann Beine. Er lud den Doktor ein, sofort mit dem Schlitten alles zu holen, was im Rauch hange. Der Doktor ging sofort darauf ein. Da wollte die Bescherung kein Ende nehmen: Sieben Hammen (Schinken) und vier Speckseiten, samt einer ganzen Kette Würste kamen zum Vorschein, die der Doktor eilends behändigte, um den Strüdeln das Handwerk zu legen. Dem Bauer aber schenkte er dafür ein Bündelchen, welches derselbe am nächsten Freitag in der Morgenfrühe, ehe noch die Vögel pfiffen, im Schweinestall annageln musste. "Die Hauptsache aber", sagte der Doktor wichtig, "nimm jeden Freitag den Kupferkessel, in welchem du deinen Tieren kochst, bringe ihn unter die Dachtraufe, nimm einen Wisch, reib das Geschirr inwendig bis dir der Atem vergeht, denn je härter du reibst, je mehr setzest du dem Strüdel zu. Und bei Leibe lass mir die Schweinekost nicht im Kupfer erkalten, damit der Strüdel nicht wieder drüber kommt." Sprach’s und fuhr das Tal hinaus und verteilte seine schmackhafte Ladung unter die ärmsten Leute. Die Strüdeln aber waren von dem Tage an in der Bissen verschwunden.

Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910. 

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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