Wie der Weissenburger Gesundbrunnen gefunden ward

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor sechshundert Jahren war zu Terenschatten im niederen Simmental, hart an der Simme, ein altes berühmtes Gotteshaus und Klösterlein, von etlichen Brüdern des Ordens Sankt Augustini innegehabt. Freundnachbarlich hielt der Freiherr von Weissenburg, der alt Johannes, unfern ein offen Haus auf seiner Feste und lud die Mönche gar oft zum Bankettieren ein. Sie sprachen bei ihm ein bei Tag und Nacht. Es hatte der Freiherr auch ein Töchterlein, das war ohnegleichen und hiess Kunigund. Sie wollte er zum ehelichen Gemahl einem von Grimmenstein geben, der hiess Herr Hans. Grimmenstein war aber gar ein strenger und fast harter Mann.

Zu der Zeit kam zu des Freiherrn Hausfrau auf die Burg auch oft ein ehrbarer geistlicher Mann aus dem Klösterlein von Terenschatten, mit Namen Bruder Gervasi, sonst ein geborener Herr von Simmenegg und der Letzte seines Stammes. Es war sein Amt, die alte Frau und auch das junge Fräulein zu erbauen. Oft erwies sich die letztere hold gegen ihn. Es sollte nun bald die Hochzeit mit dem Grimmenstein stattfinden. Die junge Maid aber war widerspenstig und wollte je länger je weniger davon wissen. Bruder Gervasius hatte es ihr angetan, ihn minnete sie mit der ganzen Inbrunst ihres Herzens. Sie vermochte daraus auch kein Hehl zu machen gegen ihn und sagte ihm unter Tränen, dass sie eher sterben wolle, als die Gemahlin des Grimmenstein werden. Der Mönch aber war ihr längst zugetan und öffnete ihr jetzt sein eigen Herz. Sie wurden einhellig miteinander dass sie zusammen fliehen und in der Welt ihr Glück suchen wollten. Zur Nacht schlich die Maid hinaus und fand nach Verabredung den Bruder bei dem kleinen Türlein, wohl gerüstet, ihrer harren. Er hob sie auf seinen Arm, trug sie keck durch die Simme durch Wasser und grausam Gestein bis in eine Bergschlucht. Hier, in der Verborgenheit, blieben sie und bauten allda ein Hüttlein. Ein Geisshirt aber, welcher Gervasius wegen erwiesener Wohltat Dank schuldete, brachte ihnen, was sie zum Leben nötig hatten. Da nun der alte Freiherr merkte, dass sein Töchterlein abhanden war, schickte er sein reisig Volk weit ins Land ihr nach. Es gelang diesen aber nicht, Botschaft von der Maid zu empfangen. Da klagte der Freiherr dem Himmel, dass er sein Kind so hart gedrängt. Er büsste deshalb ein ganzes Jahr und starb hernach mit lauter Reu und Leid.

Inzwischen hielten der Bruder und die Maid sich ehrbar und still, als Eheleute tun, in Zucht und aller Treu. Sie wollten auch nicht von dannen weichen, als der Hirt ihnen sagte, der alte Freiherr sei selig verschieden. Es ward aber hernach die gute Frau Küngold krank und siech. Das machte den Bruder von Herzen traurig, denn er fürchtete, sie werde sterben und ihn einsam und in Kummer zurücklassen. Darum betete er viel und arznete sie auch mit allerlei Kräutern. Es half dies aber nicht. Sie wurde stets hinfälliger. Da ging der Gemahl aus und es ward ihm eine grosse Gnade: Denn in selbiger Schlucht fand er ein Brünnelein, das war warm und sprang hervor aus der Fluh und hatte einen gar besonderen Geschmack. Er schöpfte davon ein Näpflein voll und gab es seinem Lieb zu trinken. Das schien ihm sehr heilsam zu sein und eine wundersame Kraft zu besitzen, denn kaum dass sein Herzlieb ein wenig von der Heilgabe getrunken, fühlte es bereits eine wunderbare Stärkung über sich kommen und über kurzem gesundete es mehr und mehr. Darnach spendete der Bruder forthin aus dem Brünnelein jedermann, der da krank und bresthaft darniederlag, also dass er wegen des Wassers gebenedeiet ward bis an sein seliges Ende. Sein Gedächtnis blieb bei den Landleuten auf alle Zeiten bewahret, denn des Brünnleins Tugend dauerte fort und hat Tausenden die Schmerzen gelindert.

Quelle: Hermann Hartmann, Sagen aus dem Berner Oberland. Nach schriftlichen und mündlichen Quellen, Interlaken 1910. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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