Die sieben Paar Schuhe

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Ein König hatte drei Töchter. Jede brauchte täglich sieben Paar Schuhe, also im ganzen 21 Paare. Der König konnte dies nicht begreifen, und es war ihm ziemlich verleidet, ihnen die Schuhe zu besorgen. Eines Tages liess er auf einem schönen Schild vor seinem Schloss ausschreiben, wer ihm sagen könne, weshalb seine Töchter täglich so viele Schuhe brauchten, erhalte eine rechte Stange Geld. Jeder, der versuchen wolle, es herauszufinden, habe drei Tage Zeit zum Überlegen. Er sei zu Gast im Schloss und werde gut behandelt. Aber wenn er nach drei Tagen nicht wisse, warum die Prinzessinnen so viele Schuhe verschlissen, so müsse er sein Leben lassen.

Dies kam auch einem Mann zu Ohren, der viele Jahre als Soldat gedient hatte. Der dachte, das wäre etwas für ihn; denn er hatte es nicht so weit gebracht, um ohne Arbeit leben zu können, und Soldat wollte er nicht mehr bleiben. Gut, er liess sich nach langem Überlegen darauf ein, die drei Tage als Gast im Schloss zu bleiben, und er wollte herausfinden, weshalb die Prinzessinnen täglich so viele Schuhe verschlissen. Schliesslich dachte er, wenn er nicht dahinterkomme, so sei es auch kein grosser Schaden, wenn er sterben müsse, denn arbeiten wollte er nicht mehr.

Gesagt - getan. Er ging ins Schloss und meldete sich. An diesem Abend bekam er ein prima Nachtessen. Am andern Tag tischte man ihm wiederum mehr als genug zum Essen und Trinken auf. Dann ging er in die Stadt. Beim Spazieren hirnte und hirnte er, wie die Prinzessinnen so viele Schuhe verschleissen könnten, aber am Abend musste er wieder umkehren, ohne etwas herausgefunden zu haben. Jetzt bereute er es schrecklich, sich darauf eingelassen zu haben und dafür sterben zu müssen.

Am zweiten Tag ging er wieder in die Stadt hinaus spazieren. Er hielt den Kopf gesenkt und hirnte und hirnte. Aber alles war vergebens. Gegen Abend begegnete er einem alten Mann. Der fragte ihn, weshalb er so traurig und nachdenklich in der Stadt herumgehe. Er wollte nicht mit der Sprache herausrücken und sagte nichts. Jetzt meinte der alte Mann, aber einem alten Mann dürfe man immer etwas anvertrauen, er wisse sicher einen Rat. Kurz und gut, der Soldat erzählte schliesslich, er müsse herausfinden, wie die Königstöchter so viele Schuhe an einem einzigen Tag zerrissen; er habe sich schon zwei Tage darüber den Kopf zerbrochen, und wenn er es morgen nicht herausfände, so müsse er sterben, andernfalls habe er einen rechten Beutel Geld zugute. «O, wenn es nur das ist», meinte der Alte, «so will ich dir schon helfen, aber komm morgen um die gleiche Zeit durch diese Gasse herunter! Ich komme dann auch hierher, und dann will ich dir schon raten, was zu machen ist!» Der Soldat war so froh, und an diesem Abend ging er leichteren Herzens ins Schloss zurück, wo er tüchtig ass und trank.

Am anderen Tag ging er die Gasse hinunter, wie es der alte Mann befohlen hatte, und da begegnete er ihm. Der alte Mann gab ihm einen grossen Mantel und sagte, damit könne er sich unsichtbar machen. Er solle den Mantel anziehen und heute spät nach dem Nachtessen in die Küche gehen. Neben dem Herd sei eine Falltüre im Boden. Nach einer Weile kämen die drei Töchter, die drei Hexen seien, sie würden die Falltüre öffnen und nach unten verschwinden. Er solle ihnen folgen, dann kämen sie über einen Weg zu einem riesigen Loch. Darin sei ein grosser Saal mit einem Boden ganz aus eisernen Klötzen, die hätten Schneiden darauf. In diesem Saal befände sich der Böse mit einer ganzen Hexenbande. Die drei Prinzessinnen kämen dann auch, würden Musik machen und dazu fröhlich tanzen. Aber jeden dritten Tanz müssten sie die Schuhe wechseln. Die Schneiden auf den eisernen Klötzen würden die Schuhe total kaputt machen, sie in Fetzen reissen. Dann würden die Prinzessinnen die Schuhe ausziehen und sie alle auf die gleiche Seite schmeissen, er solle sie in einen Sack stecken und danach dem König zeigen, damit der ihm eher glaube.

Der Soldat nimmt den grossen Mantel, geht ins Schloss und nach dem Nachtessen wartet er neben der Herdplatte. Gegen Mitternacht kommen die drei Prinzessinnen, sie öffnen die Luke - niemand hat gewusst, dass hier eine Falltüre ist - und sie verschwinden nach unten und der Soldat hinterher. Siehe da, sie gehen einem Weg entlang und kommen zum Saal mit den eisernen Klötzen, die Schneiden darauf haben. Dort ist der Böse mit einer ganzen Bande, und sie machen Musik und tanzen. Die Töchter gesellen sich dazu, und jeden dritten Tanz wechseln sie die Schuhe und werfen sie in die und die Ecke. Nachdem die drei das sechsmal getan haben, wechseln sie die Schuhe und gehen dem Weg entlang. Über die Falltüre in der Küche gelangen sie hinauf ins Bett. Der Soldat nimmt schnell die Schuhe aus der Ecke und steckt sie in einen Sack, wirft ihn über den Rücken und geht den Töchtern nach, hinauf in sein Bett, aber natürlich ganz unsichtbar.

Am andern Morgen brachte er die zerrissenen Schuhe zum König und sagte, dass seine Töchter Hexen seien, sie hätten mit dem Teufel einen Pakt geschlossen, sie stiegen so und so jede Nacht hinunter und gingen dort hinein und würden auf einem Boden aus eisernen Klötzen mit Schneiden drauf tanzen. Da habe er die Schuhe zusammengelesen, die sie nach jedem dritten Tanz gewechselt hätten. Als der König das sah, glaubte er dem Soldaten. Er befahl, seine Töchter als Hexen hinzurichten, und er zahlte dem Soldaten das Geld aus, so dass dieser vom Nichtstun leben konnte.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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