Der Jäger an der Roten Fluh

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Der Rote Chaschte ist der trutzigste Nachbar der Kaiseregg. An seinem Südabhang erhebt sich eine steile Felswand, die „Rote Fluh“. Von ihr weiss die Sage folgendes zu berichten:

Vor alter Zeit lebte im Jauntale ein verwegener Gemsjäger, der weder Gott noch Menschen etwas nachfragte. Die Jagd war sein Leben, seine Freude, sein Alles.

An einem schönen Sonntagmorgen nahm er einst die Büchse von der Wand, hängte den Rucksack um, pfiff dem Hund und ging auf die Jagd. Auf allen Wegen begegneten ihm fromme Kirchgänger, die ihn an das Sonntagsgebot erinnerten und zur Umkehr mahnten. Aber er spottete nur über ihren frommen Eifer und sprach: „Sonntag oder Werktag, das ist mir einerlei. Heute geh ich auf die Jagd.“ So kam er an die Rote Fluh. Dort spürte der Hund eine Fährte auf und begann, sie zu verfolgen. Der Jäger stellte sich schussbereit an die Felswand. Nach einer Weile tönte Hundegebell an sein Ohr. Er spähte umher und erblickte hoch über sich auf einem schmalen Grasband eine fliehende Gemse und scharf hinter ihr her seinen Hund. Er riss das Gewehr an die Wange, zielte, schoss. Als der Rauch sich kaum verzogen hatte, da kollerte das getroffene Tier ihm tot vor die Füsse. Aber es war nicht die Gemse - es war sein Hund. Da befiehl den Jäger eine unsinnige Wut. Er wetterte, fluchte, tobte und schrie: „Ich wollte lieber, ich hätte den Herrgott erschossen, als meinen braven Hund.“ Um diese Worte zu bekräftigen, legte er das Gewehr nochmals an und drückte einen Schuss gegen den Himmel ab. Schauerlich dumpf gaben die Berge und Felswände das Echo wieder, als ob sie sich scheuten, den Sonntagsfrieden zu stören. Doch das Strafgericht des Himmels folgte augenblicklich.

Als der Frevler den Schauplatz seiner Untat verlassen wollte, da konnte er es nicht mehr. Er war und blieb an seinen Platz gebannt für ewige Zeiten. Tage und Nächte blieb er an der Felswand stehen, bei Kälte und Hitze, bei Sturm und Wetter, und niemand konnte ihn befreien. Nach Wochen und Monaten sah man noch die bleiche, verwetterte Jägergestalt an den Fels gelehnt, das Gewehr im Arm, den Hund zu seinen Füssen. Niemand wagte sich in die Nähe. Menschen und Tiere mieden die Stelle. Doch endlich mauerten die Hirten das bleiche Gerippe ein. Die Mauer ist heute noch zu sehen an der Roten Fluh.

 

Quelle: German Kolly, Sagen aus dem Senseland, Freiburg 1965. Mit freundlicher Genehmigung der Verlag Herder GmbH. Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung, www.Maerchen.ch

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