Das weisse Pferd

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Zwei gute Freunde gingen einmal durch einen Wald. Es wurde langsam Abend, und die beiden waren sich nicht einig, was sie tun sollten. Einer wollte bis zum nächsten Dorf gehen, der andere im Wald unter einer Tanne übernachten.

Da sie sich nicht einigen konnten, ging der eine ins Dorf, und der andere legte sich zum Schlafen unter eine Tanne. Spät in der Nacht hörte der einen schrecklichen Lärm im Geäst dieser Tanne. Als er hinaufschaute, sah er drei Hexen; die erzählten einander, was jede gemacht hatte. Der Letzten konnte er noch zuhören, die andern beiden waren mit ihrer Geschichte schon fertig. «Ich habe den grössten Schaden gestiftet», erzählte die Hexe, «denn ich habe die Königstochter sehr krank werden lassen. Sie war eine so gütige Jungfrau, eine Mutter der Armen. Alle in der Stadt hatten sie sehr gern. Nur ein einziges Heilmittel kann ihr helfen, und das kennt keiner. Wenn man ein weisses Pferd nähme, ohne ein einziges Flecklein, und ritte mit ihm vor Sonnenaufgang im Galopp, bis es schwitzte und man diesen Schweiss sammelte und der Prinzessin zu trinken gäbe, dann wäre sie geheilt!» Darauf setzten sich die Hexen auf ihre Besen, und eine nach der andern flog nach Hause.

Am andern Tag ging der Bursche, der alles mitbekommen hatte, in die Stadt. Dort hörte er nichts als weinen und seufzen wegen der guten Königstochter, der kein Arzt helfen konnte. Ohne Furcht ging der Bursche zum König und sagte, er wolle der Tochter helfen, wenn der König ihm erlaube, am andern Morgen früh das schönste Pferd, welches er im Stall habe, zu nehmen. Mit Freude erlaubte dies der König; und der Bursche ritt mit dem Pferd, bis es schwitzte. Dann sammelte er den Schweiss in einen Becher und gab ihn der Jungfrau zu trinken. Sogleich ging es der Königstochter besser, und sie reichte ihrem Retter als Braut die Hand.

Wie er als Prinz eines Tages mit seiner Frau spazieren ging, begegnete er seinem Freund, und der fragte ihn, wie er sein Glück gemacht habe. Und er erzählte, wie die Sache gelaufen war, aber er riet dem Freund ab, die Hexen zu belauschen, die seien jetzt fest auf der Hut.

Dennoch ging der Freund ein Jahr später am gleichen Tag in den Wald und setzte sich unter die gleiche Tanne. Als die Hexen beisammen waren, sagte die jüngste. «Vor einem Jahr hat uns jemand zugehört und deshalb die Königstochter heilen können. Bevor wir Rat halten, wollen wir alle Ecken und Winkel absuchen!» Sogleich fanden die Hexen den Neugierigen und zerhackten ihn so fein, dass ihn die Hühner hätten aufpicken können.

 

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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