Die Prinzessin, die ihren Vater so lieb hatte wie das Salz

Land: Schweiz
Kategorie: Novelle

Es war einmal ein König, der hatte drei Mädchen. Eines Tages fragte er sie, wie lieb sie ihren Vater hätten. Die älteste Tochter sagte, sie habe ihn so lieb wie ihren Augapfel, die Mittlere sagte, sie habe ihn so lieb wie sich selbst, und die Jüngste sagte, sie liebe ihn so wie das Salz, das den Speisen den Geschmack gebe.

Mit den Antworten der beiden Älteren war der Vater sehr glücklich und zufrieden, aber der Jüngsten nahm er es übel, dass sie ihn nur so lieb wie das Salz hatte, und er jagte sie aus dem Haus.

Ganz traurig machte sie sich auf den Weg und kam zu einem See. Dort ruhte sie sich ein wenig aus, und auf einmal tauchte ein Fisch auf, der fragte sie, wohin sie gehe. Das Mädchen erzählte, sie sei aus dem Haus gejagt worden, weil sie gesagt habe, ihr Vater sei ihr so lieb wie das Salz. Dann fing sie an zu weinen, doch der Fisch tröstete sie und sagte, es werde ihr schon noch gut gehen, sie solle nur zu dem und dem König gehen und nach Arbeit fragen. Zuletzt gab der Fisch dem Mädchen drei schöne Schachteln mit und befahl, sie dürfe sie erst öffnen, wenn sie zur Messe gehe.

Etwas zuversichtlicher als vorher machte sich das Mädchen wieder auf den Weg und kam nach einer Weile zum König, von dem der Fisch gesprochen hatte. Der stellte sie als Magd zum Geschirrwaschen und Hühnerfüttern ein.

Am Sonntag, als das Mädchen zur Messe gehen wollte, öffnete sie die erste Schachtel und fand darin ein wunderschönes seidenes Kleid. Dann wusch sie sich schnell und kämmte die Haare, zog das schöne Kleid an und ging zur Messe. Der Königssohn, der seinen Platz vorne in der Kirche hatte, sah sogleich das schöne Mädchen im prächtigen seidenen Kleid und konnte kein Auge mehr von ihr lassen.

Kaum war die Messe zu Ende, flüchtete das Mädchen nach Hause, und der Königssohn konnte sie nicht mehr sehen.

Am nächsten Sonntag öffnete das Mädchen die zweite Schachtel. Darin war ein noch schöneres seidenes Kleid, und diesmal ging sie darin zur Messe. Doch jetzt behielt der Prinz sie im Auge. Kaum war die Messe zu Ende, rannte sie weg und er hinter ihr her, und er erwischte sie gerade noch, als sie ins Haus des Königs gehen wollte. Er brachte sie dazu, ihm zu sagen, wer sie sei; und dann nahm er sie zur Frau. Sie machten eine wunderschöne Hochzeit. Am Hochzeitstag, vor der Messe, öffnete das Mädchen die dritte Schachtel, und darin war ein Kleid ganz aus Gold, so schön wie man noch nie eines gesehen hat. Die Braut zog dieses an, und sie gab das andere schöne Kleid der Brautführerin.

Zum Hochzeitsessen luden sie auch den König, den Vater des Mädchens, zusammen mit vielen andern Gästen ein. Aber auf Befehl der Braut hatte man die Speisen nicht gesalzen, und alles war schrecklich fad. Die Hochzeitsgäste waren deshalb gar nicht zufrieden; unter andern fragte der König, der seine Tochter nicht erkannt hatte, die Braut im goldenen Kleid, weshalb die Speisen keinen Geschmack hätten. Da antwortete die Braut: «Es fehlt das Salz, welches jeder Speise den richtigen Geschmack gibt, und so wie das Salz habe ich Euch lieb!» Jetzt erkannte der König seine Tochter, und er sah ein, dass er ihr Unrecht getan hatte. Er umarmte sie und bat um Verzeihung.

Später, als ihr Mann König und sie Königin wurde, wohnte ihr Vater bei ihr, denn sie hatte ihn von seinen Töchtern am liebsten.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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