Der Pfarrer und die Frau des Schmieds

Land: Schweiz
Kategorie: Schwank

Ein Pfarrer ging zur Frau eines Schmieds. Der Bub des Schmieds merkte dies und versteckte sich eines Abends unter dem Ofen. Er wollte herausfinden, was da der Pfarrer während der Abwesenheit des Vaters treibe. Er musste lange unter dem Ofen warten, bis der Pfarrer endlich kam. Die Mutter ging dann sofort in die Küche, kochte Kaffee und bewirtete den Pfarrer aufs beste mit Schinken, Würsten, Butter, Honig, Kuchen und Schmalzgebäck. Sie hatten es bis in die Nacht hinein lustig.

Bevor der Pfarrer ging, fragte die Frau, wo er morgen pflüge, sie wolle ihm dann das ‹Znüni› bringen, sagte der Pfarrer, wo er mit zwei Pferden arbeiten werde, das sehe sie schon von weitem. Als der Pfarrer und die Mutter draussen waren, ging der Bub dann auch ins Bett.

Am andern Tag pflügten der Schmied und sein Bub auch in der Nähe des Pfarrers; sie hatten aber zwei braune Pferde. Der Bub sagte zum Vater: «Wir sollten unsere Pferde mit zwei Leintüchern zudecken, die Fliegen sind furchtbar lästig!» Dem Vater war dies recht, und sie bedeckten die Pferde, so dass sie von weitem gerade wie Schimmel aussahen. Gegen neun Uhr kam die Frau des Schmieds mit einem Korb und einer Flasche. Sie meinte, es sei der Pfarrer. Doch sie täuschte sich und musste das ‹Znüni› ihrem Mann und ihrem Buben geben, und sie getraute sich nicht, dem Pfarrer davon zu bringen. Sie wusste aber kaum, was sagen, denn es war überhaupt nie ihre Gewohnheit gewesen, das ‹Znüni› aufs Feld zu bringen. Da sagte sie: «Ich habe geglaubt, dass ihr es heute sehr streng habt, deshalb habe ich Wein und Küchlein gebracht.» Der Schmied und der Bub tranken nach Herzenslust Wein und assen Küchlein, doch sie vermochten nicht alles zu essen.

Da sagte die Mutter zum Buben: «Du könntest den Rest dem Pfarrer bringen.» Der Bub nahm die Flasche und den Korb und ging. Unterwegs brach er die Küchlein in Stücke und schmiss sie auf den Boden. Dann ging er zum Pfarrer hinauf und sagte, der Vater habe ihn geschickt und lasse ausrichten, wenn er noch einmal abends zur Mutter komme, so nehme er die Axt und schlage ihn tot.

Dann ging er wieder und erzählte dem Vater, der Pfarrer habe gesagt, er solle mit der Axt kommen und seinen kaputten Pflug flicken. Der Schmied nahm die Axt und ging schnell hinauf.

Unterwegs las er die Küchlein auf, die der Bub in Stücke gebrochen hatte. Als der Pfarrer den Schmied mit der Axt auf dem Rücken kommen und dazu noch Steine sammeln sah, um sie nach ihm zu werfen - wie er meinte -, da haute der Pfarrer schleunigst ab. Der Schmied ging dann nicht zu ihm hinauf, sondern machte kehrt und sagte: «Ich glaube, der Pfarrer ist besoffen.» Der aber getraute sich nie mehr, das Haus des Schmieds zu betreten, obwohl der Schmied nichts von der ganzen Geschichte wusste.

 

 

Thompson Motiv K 1573 (Täuschung: Der Schlaumeier schickt seinen Meister hinter dem Geliebten seiner Frau her)

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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