Der Maurer

Land: Schweiz
Kategorie: Novelle

Einmal ging ein Königssohn zu einer vornehmen Prinzessin und fragte sie, ob sie seine Frau werden wolle. Da gab die Prinzessin zur Antwort, er sei es nicht wert, ihr die Schuhe zu binden. Das machte den Königssohn fuchsteufelswild, und er dachte: «Du sollst diese Suppe schon noch auslöffeln, wart du nur.»

Er verkleidete sich als Clown und gab allerlei Stücklein vor dem Königsschloss zum Besten. Die gefielen dem König und seiner Tochter, und sie beschloss, ihn als Spassmacher anzustellen. Auf dem Schloss gewann er mit seinen Schmeicheleien bald einmal das Herz der Prinzessin, und sie wurde von ihm schwanger.

Eines Tages sagte sie zu ihm: «Lass uns um Himmelswillen fortgehen, sonst wenn mein Vater draufkommt, tobt er bestimmt furchtbar mit mir.» Der Bursche sagte: «Ich habe keine Lust, von hier wegzugehen, ich habe es gut genug, du kannst schon gehen, ich aber bleibe.»

Nach langem Jammern und Weinen der Prinzessin entschlossen sie sich zu gehen. Aber der Bursche sagte: «Wir brauchen auch Geld.» Die Prinzessin antwortete: «Das will ich schon besorgen, hab nur keine Angst.» Sie brachte viel Geld und Wäsche zusammen und schickte die Kisten voraus, und eines Tages flüchteten beide weit weg. Sie gelangten in eine Stadt und wurden sich einig, da zu bleiben. Der Bursche sagte: «Jetzt will ich täglich als Maurer arbeiten, um etwas zu verdienen, und für dich will ich ein Wirtshaus aufmachen, damit du dann auch etwas verdienen kannst.» Jeden Morgen ging der Königssohn mit Schürze und Maurerkelle weg; am Abend kam er nach Hause und gab seiner Frau den Lohn.

Eines Tages begab er sich zusammen mit andern Herren in das "Wirtshaus" seiner Frau. Sie wollten sich zünftig zum Trinken auftischen lassen und dann, ohne zu bezahlen, abhauen. Nachdem sie so richtig gesoffen hatten, verschwanden alle mir nichts dir nichts. Am Abend ging der Mann wieder mit seinem Lohn heim und fragte, wie es heute gelaufen sei. Die Frau jammerte nur und sagte, heute sei es nicht gut gelaufen, ein Haufen Dreckskerle sei dagewesen, die hätten sich zu trinken auftischen lassen, und als sie voll gewesen seien, hätten sie alle, ohne zu bezahlen, das Weite gesucht. Da sagte der Mann: «Wir wollen fort von hier und in die Stadt des Königs gehen, dort gibt es sicher auch für mich mehr Arbeit als Maurer.» Der Frau war dies ganz recht, und sie zogen fort.

In der Stadt machte er für seine Frau einen Geschirrstand auf, damit auch sie wieder etwas verdienen könne. Er ging auch hier wieder jeden Morgen mit seiner Schürze und seiner Kelle weg und liess sie glauben, er arbeite täglich fleissig. Doch er fuhr jeden Tag mit andern Herren in der Kutsche neben dem Stand vorbei, wo seine Frau Geschirr verkaufte. Er kam jedoch jeden Abend mit Schürze und Kelle nach Hause und übergab dann seiner Frau den Lohn.

Eines Tages befahl er dem Kutscher, mit den Rädern der Kutsche den Stand zu streifen. Der Kutscher machte dies, der Stand krachte zusammen, und alle Schüsseln gingen in Scherben. Da schimpfte und zeterte die Frau, doch die Herren in der Kutsche lachten sie nur aus, rissen lauter Sprüche über sie und fuhren weiter.

Am Abend, als der Mann nach Hause kam, jammerte die Frau wieder, wie gemein diese Kerle mit ihr umgegangen seien. Der Mann tat so, als tue es ihm entsetzlich leid. Er sagte: «Ich habe jetzt eine Menge Arbeit als Maurer beim König und kann dort viel verdienen, und du kannst da als Köchin arbeiten.» Gesagt - getan. Schon am andern Tag ging die Frau als Köchin in die Schlossküche. Sie trug eine schöne weisse Küchenschürze und arbeitete tüchtig. Der Mann, der Königssohn, täuschte wiederum vor, er schufte als Maurer.

Eines Tages sagte er: «Heute gibt der König ein Festessen, du musst also sicher allerlei gute Sachen kochen, und du kannst auch von allem probieren, doch denk auch an mich. Ich bin den ganzen Tag am Bauen eines Abtritts für den König und muss fürchterlich krampfen. Lege deshalb von allen Speisen etwas für mich auf die Seite.» Die Frau meinte: «Das will ich schon tun, aber ich weiss nicht wohin damit; wenn es jemand sieht und es dem König erzählt, so verliere ich meine Arbeit.» Der Mann entgegnete: «Nimm einen etwas grösseren Krug unter die Schürze, dann kannst du ring von allem auf die Seite legen.» Der Frau war dies recht. Sie versteckte den Krug unter der Schürze und füllte ihn, wie der Mann es ihr aufgetragen hatte.

Der Mann, der auch im Saal war und am Tisch sass, liess zum Tanz aufspielen. Als er meinte, der Krug sei voll, ging er in die Küche und sagte zur Köchin, sie müsse auch in den Saal und mit ihm tanzen. Die Köchin, die ihren Mann wegen seiner Kleidung nicht erkannte, sagte: «Aber nein, ich bin überhaupt nicht zum Tanzen angezogen, da gehe ich bestimmt nicht hinein.» Der junge Herr sagte, sie müsse auf jeden Fall mitkommen, er gehe nicht ohne sie. Als sie merkte, dass alles nichts nützte, sagte sie: «Wenn ich schon hinein muss, so muss ich eine andere Schürze anziehen.» Der Herr befahl: «Nein, nein!» er erlaube dies nicht, es gehöre sich so, dass die Köchin mit einer weissen Küchenschürze erscheine. Und die arme Köchin musste mit dem Krug unter der Schürze in den Saal mitgehen.

Als sie zu tanzen begann, fiel das, was sie für ihren Mann gesammelt hatte, aus dem Krug. Da wurde sie vor Schrecken ohnmächtig. Jetzt sagte der König-Vater zu seinem Sohn: «Jetzt reicht’s, hör auf, sie hat schon genug gebüsst für die Antwort, die sie dir damals gegeben hat, als du sie zur Frau hast wollen.» Da gab sich der Königssohn seiner Frau zu erkennen, und sie lebten für immer glücklich zusammen.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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