Die Mutter des Pfarrers

Land: Schweiz
Kategorie: Schwank

Es war einmal ein Mesmer, der wusste, dass der Pfarrer ein sehr fettes Mastschwein hatte, und er war auch ganz scharf darauf. Eines Tages stahl er das Schwein und schlachtete es. Der Pfarrer ahnte nichts Gutes und verdächtigte den Mesmer.

Nun überlegte sich der Pfarrer, was er tun sollte, um den Verdacht zu erhärten. Da steckte er seine alte Mutter in eine Kiste samt Speise und Trank, dann liess er den Mesmer fragen, ob er nicht eine Kiste für ein paar Tage in seinem Haus lagern könne, er habe bei sich keinen Platz. Der Mesmer sagte, er solle sie nur herunterbringen, er wolle sie schon behalten, er habe Platz genug. Da liess der Pfarrer die Kiste mit seiner Mutter drin vorsichtig zum Mesmer tragen.

Die Mutter musste heimlich horchen, ob der Mesmer und seine Frau sich über das Schwein des Pfarrers unterhielten. Schon am andern Tag sagte der Mesmer während des Morgenessens zu seiner Frau: «Heute kannst du ein Stück vom Schwein des Pfarrers zum Mittagessen kochen.» Die Frau machte das, während des Essens lobten beide das prima Fleisch, und die Alte in der Kiste hörte alles.

Nach ein paar Tagen sagte der Mesmer zu seiner Frau: «Wir wollen schauen, was es in dieser riesigen Kiste hat.» Der Mesmer öffnete sie und erschrak gewaltig, als er die Mutter des Pfarrers in der Kiste sah. Er ahnte gleich, weshalb der Pfarrer das getan hatte, und der Mesmer entschloss sich sogleich, die Alte zu erwürgen. Er zwängte ihr einen Weggen, den sie noch in der Kiste hatte, ins Maul und schloss die Kiste wieder zu.

Nach ein paar Tagen liess der Pfarrer die Kiste wieder zu sich ins Haus bringen. Als er darin seine Mutter tot und mit einem Weggen im Maul fand, meinte er, sie sei beim Essen erstickt.

Ein paar Tage später ging der Mesmer auf den Friedhof, grub die Alte aus, trug sie in den Stall des Pfarrers und setzte sie vor den Schweinekoben. Als die Magd am andern Morgen füttern ging, erschrak sie furchtbar, als sie da die Alte sah, die schon vor ein paar Tagen beerdigt worden war. Und die Magd rannte davon und erzählte es dem Pfarrer. Der liess schnell den Mesmer kommen und fragte ihn, ob er sie irgendwo unter den Boden bringen könne. Der Mesmer sagte, das wolle er schon machen, wenn er ihm sein Mastschwein überlasse. D gab der Pfarrer ihm gern das Schwein, wenn er nur mit der Alten verschwinde, und der Mesmer ging und schmiss sie in ein Tobel hinunter.

Bald darauf holte er sie wieder, brachte sie in eine Kammer des Pfarrers und setzte sie mit einer Schaufel neben den Korntrog. Der Pfarrer erschrak wieder furchtbar, als er seine Mutter dort sah. Er liess den Mesmer rufen und sagte, er solle sie bloss weit weg bringen er wolle ihm geben, was er wolle. Der Mesmer meinte, er wolle dies schon machen, wenn er ihm dafür das Korn im Trog gebe. Dem Pfarrer war das recht, wenn er nur mit der Alten verschwinde. Der Mesmer brachte sie weg und versteckte sie in einem Steinhaufen.

Eines Tages als er auf eine Wiese ging, um zu arbeiten, sah er einen Hausierer, der seine Krätze abgestellt hatte und tief und fest schlief. Der Mesmer ging zu ihm, öffnete die Krätze, nahm alle Ware heraus, holte schnell die Alte, stopfte sie in die Krätze, verschloss die wieder und legte sich neben dem Hausierer schlafen. Als sie wach waren, plauderten sie lange zusammen, und der Hausierer fragte dann den Mesmer, ob er ihm nicht sagen könne, wer in diesem Dorf Spitzen und Bändel kaufen wolle. Der Mesmer antwortete, das wolle er ihm schon sagen, er solle nur in das Haus am Dorfeingang gehen, dort werde man ihm viel abkaufen.

Dann stand der Hausierer auf, nahm seine Krätze und begab sich zu diesem Haus. Er trat ein und an der Stube den Pfarrer und die Magd. Der Hausierer legte die Krätze ab und fragte, ob sie Spitzen und Bändel kaufen wollten, alles sehr billig und halb geschenkt. Und als er die Krätze öffnete, fiel die Alte heraus; da erschraken alle fürchterlich. Und der Pfarrer liess schnell den Mesmer rufen und sagte, er solle weit weg mit ihr, damit sie nicht mehr zurückkomme. Dafür wolle er ihm eine grosse Belohnung geben. Darauf ging der Mesmer mit der Alten, warf sie in ein tiefes Tobel und liess sie dann für immer dort unten. Dafür bekam er nachher vom Pfarrer ein schönes Stück Geld.

 

Aus: Die drei Winde, Rätoromanische Märchen aus der Surselva, Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler, Desertina Verlag, Chur 2002. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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