Die Erbauung der Kirche zu Montagny

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Geht man von Grandson nach dem Dorfe Montagny, so fällt auf jener ausgedehnten Ebene ein nicht gerade bedeutender Hügel ins Auge, welcher einige hundert Schritte von der Bandstraße ab in den Gütern liegt. Dort soll Karl der Kühne von Burgund einst sein Kriegszelt aufgeschlagen haben, da er zur Besiegung der Schweiz ins Land eingebrochen war und Grandson belagerte. Eine Eiche, von einem Kranz starker Tannen umgeben, steht auf der Spitze des Hügels; sie soll von den Überwindern Karls gepflanzt worden und gleich alt sein mit derjenigen, welche in der Nähe des Grandsoner Schlosses steht.

Ein bejahrter Waatländer Bauer, dessen Äcker bei diesem Eichenhügel liegen, ist der Erzähler nachfolgender altertümlich lautender Sage.

 

Vor mehr als hundert Jahren ging einst der junge Johannes dieses Weges. Er war im Herzen tief betrübt, denn er kam eben von den Leuten her, welche ihm seine Armut vorgehalten und damit die Hand ihrer Tochter, um welche er warb, abgeschlagen hatten. Es ging auf die heilige Zeit, das Land lag voll Schnee, keine Seele war mehr auf dem kalten Wege, er überließ sich den trübsten Vorstellungen und in abgerissenen einzelnen Worten sprach er sich selber sein Herzeleid vor. Es dämmerte stark, da er hier vorüber den sogenannten Tuilerien zuging. Da hörte er vom Eichenhügel herab unvermutet sich mit Namen nennen, ein Mann in sehr kostbarer Rüstung stand vor ihm und sprach begütigend: „Johannes, ich weiß wohl, was dich quält, faß' indeß nur guten Mut, bald soll Alles anders werden. Komm nächste Weihnachten nach elf Uhr allein auf diesen Hügel, da reicht gerade die Zeit hin, mir etwas in den See zu tragen; und wenn du dann anstellig genug bist, mir bis zwölf Uhr auch mein altes Wehrgehänge abzugürten und damit in aller Stille fertig werden kannst, so sind die Schätze zusammen dein, die in diesem Hügel stecken.“ Johann hatte kaum Zeit, dieses zu versprechen, so war der Geist verschwunden und Alles wieder wie vorher. Es waren noch zwei Tage bis Weihnachten. Johannes besann sich wohl, ob er nicht etwa eine Sünde begehe, wenn er die heilige Nacht zum Schätzeheben verwende. Doch er konnte sich aufrichtig gestehen, daß er es in keiner habsüchtigen Begierde unternahm, sondern in reinster Liebe zu seiner Margarethe. Er wußte, daß das treue Mädchen keinem andern als ihm die Hand geben werde, er erlöste und befreite also vielmehr sie, als nur den Geist eines mutmaßlichen Ritters; um diesen Schatz also war es ihm zu tun, und er konnte diesen ja aufs glücklichste heben, wenn er die in jenem Hügel verborgenen Reichtümer erwerben und damit zum einbedungenen Heiratsvermögen gelangen würde. So ging er denn auf die bestimmte Frist zum Hügel hin und traf da den Gerüsteten. Dieser klopfte an die Eiche, und sogleich versanken sie beide zusammen in die Erde hinab. Hier fanden sie sich in einem von vielen Pfeilern getragenen Gewölbe. Es war kerzenhelle. An den Wänden umher hingen Banner und Waffen. Ringsum an den Mauern standen Kriegswerkzeuge aller Art, selbst Geschütze und Kugelpyramiden. Dazwischen aber waren eben so viele Gefäße offen hingestellt, die einen schimmernd von Gold, die andern blitzend von Geschmeide. Jedoch da war keine Zeit, sich lange umzuschauen; denn alsbald kam aus der Weite der Halle ein dickes, kohlschwarzes Ungetüm auf allen Vieren daher, und der Gerüstete sprach zu Johannes: „Hier ist meine Lieblingskatze. Diese wirf mir sogleich vom Tophet hinunter in den See, als dann komme so schnell du vermagst wieder hierher. Hüte dich, eine einzige Minute zu versäumen, hüte dich, ein einziges Wörtchen zu sprechen, es wäre dein Tod. Nun geh! Johannes tat unverweilt, was ihm geheißen worden war. Halb atemlos kam er mit der mächtigen Katze auf den Tophet hingerannt. Dies ist ein Felsen des Neuenburger See's, zu welchem eine aus Kieseln bestehende, aber von den Wellen längst wieder überspülte alte Straße geführt hat, ein sogenannter Heidenweg, auf welchem einst die Heidenpriester nach einem Tempel des Seegottes hinaus zum Opfer gezogen waren. Während er die Katze hier ins Wasser hinabwarf, kratzte ihn das sich sträubende Untier noch so heftig, daß er schon ein Bonnerre äe eünt! im Munde hatte; aber der Warnung wohl eingedenk, die ihm der Geharnischte gegeben, verbiß er schweigend seinen Schmerz. Nun mußte er sich seine blutenden Hände schnell abwaschen, und auch dieses war aufs schleunigste abgemacht; denn kaum berührte er das Wasser, so wogte und stürmte der bis jetzt so zahme See in solcher erschreckender Höhe daher, daß Johannes aufs eiligste entsprang und in den Hügel zurückfloh. „Jetzt nimm dich zusammen,“ begann der Ritter, „nun mehr ist das Schwerste zu tun. Wisse, ich bin der Herzog Karl von Burgund. Seitdem ich vor jenem Schlosse dort mein Wort den Schweizern brach, war das Glück von mir gewichen. Hier sitz ich in diesem Hügel geharnischt und bewehrt, bis sich ein Mensch finden läßt, der kühnlich mich entwappnet. Junge Eichen sind seitdem über meinem Haupte ausgewachsen und wieder zusammengefault; Tannen haben dann statt ihrer hier Wurzeln geschlagen; aber keiner eures Geschlechtes ist starkherzig genug gewesen, mir sein Wort zu geben und es bis zum Ende zu halten. Sei du es, und alle deine eigenen Wünsche werden zugleich damit erfüllt. Hier dieses Schwert gürte mir ab. Aber schweigend wie das erste mußt du auch dieses tun!“ Johannes machte sich daran. Der Mann schien neben seiner Hand emporzuwachsen, auf den Zehenspitzen stehend reichte er hinauf an das Wehrgehänge und knüpfte die gestickten Riemen auseinander. Da glitt das schwere Schwert aus der Scheide und schlug ihm eine tiefe Wunde. Ladre du eiel... wollte er schreien, aber zu rechter Zeit noch bemeisterte er sich, und da gerade schlugen die Turmuhren zu Grandson und zu Yverdon auf einen Streich Zwölfe. Somit war das Werk geschehen. Herzlich dankend überließ es der Geist dem beharrlichen Johannes aus den offen daliegenden Reichtümern nach seiner Wahl sich heraus zu nehmen. Johannes hatte nichts anderes bei sich, als sein Taschentuch. Dieses füllte er mit goldnen Talern, so viel ihrer bis zum letzten Knopfe hineingingen. Beim letzten Goldstück sah er sich wieder droben unter der Eiche.

Alles Übrige war verschwunden, sogar die frische Wunde, nur das Geld im Tüchlein nicht. Bald hernach heiratete Johannes seine treue Margarethe. Sein Eheglück war ein so dauerhaftes, daß er in seinen alten Tagen noch beschloß, dem lieben Gott dafür ein Zeichen schuldiger Dankbarkeit zu hinterlassen. Er vergabte daher an seine Mitbürger zu Montagny eine große Summe mit der Bedingung, daß man daraus eine eigne Ortskirche baue. So geschah es. Das Dorf hat es also diesem Abenteuer zu verdanken, daß es seither weder in die Stadt Grandson, noch in die Stadt Yverdon, zwischen denen es gerade in der Mitte liegt, in die Kirche gehen muß. Am eignen Altäre traut es seine Hochzeitspaare und lange noch nannte es jeden glücklichen Ehemann einen Johannes.

Die Fundstelle der mitgeteilten Sage heißt die Tuilerien (Zieglerei), und damit wird in jener Gegend der Standort des einen der zwei römischen Amphitheater bezeichnet, welche zum römischen Aventicum gehört haben.

Meyer v. Knonau

Quelle: E. L. Rochholz, Naturmythen. Neue Schweizer Sagen, Leipzig  1862.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch  

 

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