Buetin

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Buetin war ein Bub, der schon zur Schule ging. Doch um ins Dorf zu kommen, musste er ein rechtes Stück durch einen Wald marschieren; und bis er am Ziel war, hatte er einen Heisshunger. Er bettelte dann seiner Mutter ein paar Blutzger ab, um sich etwas zu kaufen. Und wenn sie gerade welche hatte, so gab die Mutter sie ihm, sonst sagte sie: «Geh in den Stall hinunter, beim Ausmisten springen manchmal dem Vater ein paar rote Rappen aus dem Sack und rollen davon, und wenn du die findest, so kannst du sie nehmen und dir davon Feigen und Nüsse kaufen.»

Als er nun eines schönen Tages durch den Wald ging und an seinen Feigen kaute, begegnete ihm ein Bär.

«Buetin, Buetin», sprach der, «gib mir eine kleine Feige, sonst packe und fresse ich dich!» Buetin streckte sofort seine Hand hin, um ihm eine Feige zu geben, doch der Bär packte ihn am Ärmel und schleifte ihn bis zum Stazer Wald hinauf, wo er in einer Hütte wohnte. «Jetzt gehst du Wasser holen und füllst den grossen Kessel!» befahl der grobe Bär und brüllte zur Tür hinein: «Alte, Weib, mach Feuer unter dem Kessel, denn wir fressen heute Abend den Buetin!» Unserm armen Buetin brach der kalte Schweiss aus, als er das hörte. Trotzdem dachte er, es sei besser zu gehorchen und schleppte schön brav Wasser, bis der Kessel voll war. Doch unterdessen hatte er sich überlegt, wenn es ihm gelänge, aufs Dach zu steigen, dann würde er dort in Sicherheit sein. Und er beigte alles aufeinander, was er in der Küche fand, und schaffte es wirklich, bis nach oben aufs Dach zu kraxeln. Nun zeigte der Riesenbär sich wieder und fragte: «O sag nur, was machst du dort oben?» - «Oh, ich schau nur ein bisschen herum, man hat eine prächtige Aussicht, von hier aus sieht man alles, was im Dorf geschieht», antwortete Buetin. «Ich will auch aufs Dach, wie bist du hinaufgekommen?» fragte der Bär. «Ich habe alle Pfannen und Töpfe, die ich gefunden habe, aufeinandergelegt, und dann ist es mit Hilfe dieser Eisenstange ganz gut gegangen», sagte Buetin. Und der Bär machte sich sofort daran, Pfannen, kleine Kochkessel, Hafen und Eimer zu türmen, und er konnte sich ein gutes Stück hochhangeln. Doch als er fast zuoberst war, da, auf einmal – holterdiepolter – Bär und Pfannen und Kochkessel rollten über den Boden, denn das spitze Eisen hatte sich so unglücklich in den Bauch gebohrt, dass die Därme herausquollen. Und bald war der Bär mausetot. Buetin fackelte nicht mehr lange; so schnell ihn die Beine trugen, rannte er in grossen Sätzen heim, um den Seinen zu erzählen, wie es ihm gegangen war. Dass der grosse Bär jetzt nicht mehr zu fürchten war, dass er mausetot in voller Länge gleich vor dem Haustor lag. Sein Vater brach sofort mit Buetin Richtung Stazer Wald auf. Sie fanden dort den Bären, zogen ihm das Fell ab, und es gab daraus verschiedene gute Braten. Und so gut hatte es ihnen da oben gefallen, dass sie sich im Stazer Wald oben ansiedelten und glücklich und zufrieden droben lebten, und - wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.

(Oberengadin)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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