Rotznase

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Rotznases Vater hatte drei Söhne und lebte in einem Wald als Kohlenbrenner. Weil die Familie grösser geworden war als sein Verdienst, hiess er die Söhne, ihr Brot selber zu verdienen. Rotznase - er war der Jüngste - begegnete einem grossen Herrn, als er durch einen Wald ging. Der Herr fragte, wohin ihn die Reise führe. «Ich suche eine Stelle, wo ich mein Brot verdienen kann», antwortete er. «Ich will dir Brot und Geld geben, damit es dir gut geht, dir und deiner Familie, wenn du tun willst, was ich dir sage - es sind Dinge, die du tun kannst. Sieben Jahre lang darfst du weder den Bart abhauen noch dich waschen, noch die Nägel schneiden, weder die Kleider wechseln noch sie flicken, wenn sie zerrissen sind, und nicht heiraten. Wenn es dir an Geld fehlt, kannst du hier welches aus diesem Wurzelstock holen.»

Wenig oder nichts arbeitend, verbrachte Rotznase fünf Jahre nur mit seiner Familie und befolgte streng die Befehle dieses Herrn. Doch jetzt bekam er Lust, ein wenig in der Welt herumzuziehen, und er versorgte sich mit Geld.

Als er durch ein Dorf ging, wo Frauen am Brunnen wuschen, fragte er, wo hier das beste Wirtshaus sei. Die lachten verstohlen und sagten: «Was für ein "schöner" Bursche», und wollten ihm nicht einmal antworten. Ein Bub, der daneben stand, begleitete ihn bis zum Wirtshaus. Rotznase gab ihm eine Dublone und zeigte so den verblüfften Frauen, dass er sie an der Nase herumgeführt hatte.

Der Wirt hatte viel vornehme Herrschaften im Haus, gab ihm ein Almosen, aber einen so armseligen Kerl wollte er nicht aufnehmen. Doch Rotznase sagte: «So sollst du das Schild am Haus abnehmen!» Nach langem Drängen gab der Wirt ihm einen ganz abgelegenen Raum, damit er dort allein blieb. Doch Rotznase fragte, ob er nicht bedient werden und das gleiche Essen haben könne wie der König, der sich im selben Wirtshaus befand. Rotznase bezahlte alles im Voraus. Man tat, was er wollte, und er gab den Bediensteten ein grösseres Trinkgeld als selbst der König. Und man bediente ihn mit allem Respekt. Er blieb acht Tage zur Zufriedenheit aller. Jetzt fragte er, ob er nicht in den Saal hinunter zu den Fremden kommen könnte.

Der Wirt erzählte dem König von dem seltsamen Gast, und der König meinte: «Lasst ihn kommen!» Als er eingeladen wurde, mit dem König zu spielen, lehnte er dankend ab. Doch Rotznase schaute dem Spiel zu, und in jener Nacht verlor der König so viel, wie das halbe Königreich wert war. Rotznase bot dem König an, das alles zu bezahlen, wenn er ihm eine seiner Töchter gebe.

Der König willigte gern ein, sie gingen in den Palast, und er stellte ihm seine Töchter vor. Die zwei Älteren erschraken, als sie Rotznase sahen und riefen: «Bevor ich den nehme, ersteche ich mich», so die eine, und die andere: «Häng ich mich auf!» Die dritte erwiderte: «Ich will nicht etwas gegen den Willen des Vaters tun, ich will das machen, was er wünscht.» Rotznase sagte: «Ihr seid mir versprochen, und Euer Wort ist zwei Jahre lang verbindlich. Nach dieser Zeit kehre ich zurück, und wenn es Euch nicht passt, so seid Ihr frei!» Und er reiste ab.

Nach zwei Jahren ging er zum Wurzelstock. Der Herr gab ihm ein Prinzengewand, eine Kutsche und mit Gold und Diamanten geschmückte Pferde, schnitt ihm die Haare, wusch und putzte ihn heraus. Als er vor dem gleichen Wirtshaus ankam, erkannte keiner, was das für ein Prinz war, auch im Königsschloss nicht. Die zwei Schwestern jubelten, denn wahrscheinlich würde er um eine anhalten, und sie erwiesen ihm grosse Ehre. Rotznase fragte, ob nicht noch eine dritte Tochter da sei. Die Schwestern sagten: «Die ist schon verlobt!» Jene, welche traurig abseits gestanden war, stellte sich vor und antwortete ganz sanft und leise, sie sei gebunden, und der Bräutigam werde bald eintreffen. Er fragte, ob sie durch ein Pfand gebunden sei. «Oh ja, ein halber Goldring.» Er zeigte die andere Ringhälfte und fragte: «Ist es etwa dies?» Die Prinzessin erkannte ihn, nahm ihn aus freien Stücken und voll Freude. Aus Wut erhängte sich die eine Schwester und die andere erstach sich. Und so gab der Teufel, welcher der Herr des Wurzelstocks war, Rotznase eine Prinzessin und gewann die andern beiden für sich.

(Oberhalbstein)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.  

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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