Der starke Sepp

Land: Schweiz
Kategorie: Zaubermärchen

Einmal gebar eine Mutter einen riesigen Buben. Der bekam den Namen Sepp. Als er erwachsen war, war er so stark, dass man ihn den starken Sepp nannte.

Er wollte Knecht werden und ging zu einem Herrn. Der hatte gerade einen nötig und sagte, er wolle ihn schon nehmen. Darauf fragte Sepp, ob er wohl genug Arbeit für ihn habe. Er arbeite fürchterlich viel, könne aber auch essen, ärger als ein Tier. Darauf meinte der Meister, er wolle ihn für acht Tage auf Probe nehmen. Gut, Sepp war damit einverstanden und bekam anderntags beim Herrn das Morgenessen. Danach befahl der Meister dem starken Sepp, in der und der Scheune zu dreschen. Der Knecht ging hin und drosch alle Garben gleichzeitig; doch es waren für ihn nicht genug da. Jetzt fragte er den Meister, ob er nicht noch an andern Orten Garben habe. Der Meister sagte: «Doch», und zeigte dem Knecht sein ganzes Getreide. Der Knecht trug alle Garben zusammen in die Scheune und breitete sie alle zusammen in einem Zug aus. Der starke Sepp machte für sich einen Dreschstock, den niemand anders hätte heben können, und schlug damit so fest auf die Garben, dass die Scheune zusammenfiel. Der Meister wurde wütend auf den Knecht, weil der so drauflos gedroschen hatte.

«Gibt es kein Holz im Wald?» fragte der starke Sepp. «Ja doch, da drüben im Wald hat’s Holz genug», antwortete der Meister. Da nahm Sepp ein Paar Ochsen und eine Axt und ging in den Wald, um Holz zu hauen. Schon bald kehrte der starke Sepp mit fünf langen und dicken Rundbalken auf dem Rücken zurück, die beiden Ochsen trug er je in einer Rocktasche. Er habe gedacht, die Ochsen könnten das Holz nicht recht ziehen, und er habe die armen Tiere nicht schinden mögen. Er kehrte in den Wald zurück, um nochmals Holz zu holen, und in der Nacht stellte er die Scheune wieder auf. Am nächsten Morgen war sie fertig, und Sepp drosch und siebte das Getreide, das er in der Rocktasche heimgetragen hatte. So viel Ertrag hatte es dem Meister noch nie gebracht.

Nach acht Tagen zahlte der Meister dem Knecht den Lohn bis auf den allerletzten Blutzger aus und liess ihn gehen, denn er hatte weder genug Arbeit noch Essen für einen solch kräftigen Kerl.

Der starke Sepp ging als Knecht zu einer Bande Hexenmeister. Er hatte sich ausbedingt, dass die ihn sein ganzes Leben lang behalten mussten, und er arbeitete dafür tüchtig. Aber bald einmal wollten die Hexenmeister ihn loswerden. Sie wussten nicht, was sie ihm zu essen und zu arbeiten geben sollten. Eines Tages befahlen sie, eine Grube zu graben, so tief wie vier Kirchtürme, einer auf dem andern. Das tat Sepp schnellstens; das Loch war rasch fertig. Da warfen die Hexenmeister einen Mühlstein hinunter, um ihm den Garaus zu machen. Der Mühlstein fiel genau auf seine Schultern, und Sepp rief zu den Hexenmeistern hinauf: «Warum habt ihr den Frack des Grossvaters herunterfallen lassen?» Jetzt stürzten sie die grosse Glocke in die Grube, und die Glocke fiel genau auf seinen Kopf. Die Hexenmeister gingen nach Hause und glaubten, der starke Sepp bleibe wohl für immer im Loch unten. Eine Weile später war auch Sepp wieder daheim, mit der Glocke auf dem Kopf und dem Mühlstein um den Hals. Da die Hexenmeister ihm nichts zu essen geben wollten, zerstückelte er sie, so dass die Hennen sie aufpicken konnten.

(Oberhalbstein)

 

Quelle: Die drei Hunde, Rätoromanische Märchen aus dem Engadin, Oberhalbstein und Schams. Caspar Decurtins/Ursula Brunold-Bigler/Kuno Widmer, Desertina Verlag, Chur 2020. © Ursula Brunold-Bigler.  

Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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