Kapelle z'en Hochflühen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

In dieser unter einem hohen und drohenden Felsen gelegenen Kapelle, war einst ein Waldbruderhäuschen gebaut, in welchem ein armer Eremit hauste. Einer von diesen erzählte, dass es bei anbrechender Nacht in dieser Kapelle sehr oft spuke. Unter anderem erzählte er folgendes: Als er abends, wo es schon finster geworden, wie gewöhnlich sein Nachtgebet verrichtete, habe am Eisengitter des Chors ein schwarz gekleideter Mann gekniet. Es wird wohl, dachte ich, ein Reisender sein, der dort seine Andacht macht; ich will ihn nicht stören, sondern noch einen Rosenkranz beten; bis der zu Ende ist, wird er sich wohl entfernen, damit ich dann die Kapelle schliessen könne. Als ich aber den auch gebetet, wollte sich der Unbekannte noch nicht bewegen; ich trat jetzt leise etwas näher und wagte ihn anzureden: «Guter Freund, es ist schon spät, ich wollte gern die Kapelle schliessen!» — Keine Antwort — Ich wiederholte meine Ansprache nochmals. — Keine Antwort. — Ich dachte, vielleicht hört er nicht gut, trat näher und berührte ihn ganz hübschlich mit der vorigen Bemerkung: «Es ist jetzt schon spät, ich muss die Kapelle schliessen!» — Da war es, als wenn man vom Gewölbe ein Fischel Erbsen über die Betstühle herabschüttelte. — Mich überfiel ein Schauder, als wenn man ein Fass Wasser über meinen Rücken gegossen hätte. — Ihr könnt denken, dass die Kapelle für diese Nacht ungeschlossen blieb.

Derselbe erzählte: Er habe einst so zwischen Tag und Nacht in dieser Kapelle ganz sanft orgeln gehört; in der Meinung, dass etwa junge Leute diese Frechheit sich erlaubten, ging er in die Kapelle, um ihnen eine Ermahnung zu geben. Da fand ich in derselben keinen Menschen; aber auf der Orgel war eine Person im weissen Kleide, welche derselben leise, wunderbare Trauertöne entlockte, so dass mir zu fürchten begann und ich schnell die Kapelle verliess.

Ein ander Mal habe er in der Nacht die Fenster der Kapelle hell erleuchtet gesehen. Da sei er zur grossen Porte gegangen und habe zum Schlüsselloch hineingeguckt. Wie er aber die ganze Kapelle hell beleuchtet gefunden und doch keine Kerzen brennen gesehen, habe es ihn nicht verzennt, die Porte aufzumachen und nach der Ursache zu forschen. Einmal habe er in selber mit tiefer Bassstimme, etwa um zwölf Uhr der Nacht, lange beten gehört; und ein anderes Mal ein herzliches Weinen, wie von vielen kleinen Kindern, fast um die gleiche Stunde.

Vor vielen, vielen Jahren soll einem angesehenen Manne von Mörel auf dem Platze vor dieser Kapelle in der Nacht, etwa gegen zwölf Uhr, ein schwarzer vornehmer Reiter begegnet sein. Er war altväterisch und wie ein Staatsherr gekleidet: ja er glaubte ihn sogar zu kennen: «Bo min Gott! wa will der Herr so spaat und ganz allein?» so fragte er ihn. Da nahm die Gestalt des Reiters so etwas Geisterhaftes an, dass ihm anfing zu fürchten und grausen. Mit dumpfer Stimme antwortete er ihm: «Mi-ni mi! In Banji!» gab dem hohen und schwarzglänzenden Rosse die Sporen, dass es sich hoch aufbäumte und mit einem schrecklichen Satze samt dem Reiter in den grausigen Abgrund stürzte. Rechts und links stoben blaue Funken aus der Tiefe empor.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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