Der Hochgebirgsbozo

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Von Naters aus sieht man ein hohes, stark hervorragendes Gebirge, es heisst Hochgebirg. Man braucht wohl drei gute Stunden, bis man dessen Anhöhe erstiegen. Es öffnet sich von hieraus die herrlichste Aussicht über die schöne Bell-Alpe, den ganzen Natisserberg, den Brigerzehnden, die Napoleonstrasse, die Gliserhörner und den Simplon; aber unter uns ein schauerlicher Abgrund. Auf dieser hervorragenden Felsenzacke ist eine Spalte, durch welche man in eine bodenlose Tiefe hinabstarrt. Hier soll vor undenklichen Jahren ein greuliches Verbrechen begangen worden sein.

Ein reiches Mädchen wurde auf dieser Alpe (Nessel) von drei Werbern oft besucht, hatte aber den jüngsten, obwohl ärmsten, am meisten begünstigt. Dies erweckte in den zwei andern einen tödlichen Hass und den boshaften Plan, sich am Günstling zu rächen. Unter dem Vorwand, beim Mondschein hier sich der Aussicht zu erfreuen, lockten sie ihn hierher, überfielen ihn, banden ihm Hände und Füsse zusammen, steckten einen langen Stecken ihm zwischen die Beine und henkten ihn zunderobschi (den Kopf abwärts) in diese schwindelnde Spalte. Die Bösewichter entfernten sich und gingen zum Mädchen ihr Glück zu versuchen. Nachdem sie einige Stunden im Abendsitz bei der Liebsten zugebracht, kehrten sie zum Orte des Verbrechens zurück – und fanden ihn tot. Um ihre Greueltat vor der strafenden Gerechtigkeit zu verbergen, warfen sie den Leichnam in den Abgrund. Ob ihre Mordtat auf dieser Welt die verdiente Strafe erhalten oder nicht, davon schweigt die Sage; aber nach dem Tode derselben hörte man um die Mitternacht herum ein Mark und Bein durchdringendes Geschrei: «O weh – o weh!» Dann hörte man einen schweren Fall, wie von einem stürzenden Baume. Hirten, die erst spät heimkehrten, sahen es nach diesem schrecklichen Weherufe, wie eine geschundene grosse Kuh aus diesem Abgrunde, bis tief in den Wald mit schaurigem Gepolter herunterrollen.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

Diese Website nutzt Cookies und andere Technologien, um unser Angebot für Sie laufend zu verbessern und unsere Inhalte auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie können jederzeit einstellen, welche Cookies Sie zulassen wollen. Durch das Schliessen dieser Anzeige werden Cookies aktiviert. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Cookie Einstellungen

Diese Cookies benötigen wir zwingend, damit die Seite korrekt funktioniert.

Diese Cookies  erhöhen das Nutzererlebnis. Beispielsweise indem getätige Spracheinstellungen gespeichert werden. Wenn Sie diese Cookies nicht zulassen, funktionieren einige dieser Dienste möglicherweise nicht einwandfrei.

Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Das können unter Anderem folgende Cookies sein:
_ga (Google Analytics)
_ga_JW67SKFLRG (Google Analytics)
NID (Google Maps)