Die Franzosen in Visp

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Die letzten Tage des Maimonats 1799 waren für die guten Oberwalliser sehr traurige Tage. Die Franzosen überrumpelten ihre lange mutig und glücklich verteidigten Schanzen im Pfynwald und zogen raubend, brennend und mordend in ihre heimatlichen Dörfer ein. Da war der Jammer gross und des Elendes kein Ende.

Der jetzt lebenden Generation erzählten es die Väter, wie sie gegen die Franzosen gekämpft, und die Mütter, wie die Feinde im Lande gehaust, was sie verdorben, geraubt und für Unheil überall, wo ihr Fuss hingekommen, angerichtet haben. — Darüber ist aber schon viel erzählt, geschrieben und selbst gedruckt worden. — Ich will hier nicht wiederholen und nur einen Zug berühren.

Als die Franzosen mit List und Gewalt im Dunkel der Morgendämmerung den Pfynwald durchbrochen und die überraschten Oberwalliser wie eine zersplitterte Herde vor sich hin jagten, leisteten diese zuerst wieder Widerstand bei der Brücke — Landbrücke — in Visp. — Es waren das allerdings nicht wohlberechnete aber nur verzweifelte Widersetzlichkeiten; sie geben mehr Zeugnis von Mut und Entschlossenheit als von Klugheit bei Männern, die für ihre Freiheit Gut und Leben so mutvoll einsetzten. Die frei geborenen und frei sich fühlenden Oberwalliser eines Klügern zu bereden, war unmöglich; mancher büsste da für gutgemeinte Räte. Ein Vorsteher in Saas (Zurbriggen), der seine Bedenklichkeiten äusserte, gegen die Macht der Franzosen feindlich aufzutreten, wurde mit Stricken gebunden nach Visp geführt. Ein anderer Vorsteher (Summermatter) wollte in der versammelten Gemeinde zu Törbel Klugheit anraten, gegen einen Feind noch länger zu kämpfen, dessen siegreiche Waffen das kleine Wallis schon ganz umschliessen; und sogleich sprangen viele schreiend auf die Füsse: «Schweig, Franzos! du bist um den Kopf zu gross!»

Um den Kampf mit den Franzosen wieder aufzunehmen, wurde die Landbrücke bei Visp gesperrt und an dem Ufer der Vispe stellten sich die Oberwalliser zur Gegenwehr auf. Die Position war gut gewählt und den Franzosen der gewöhnliche Zugang abgeschnitten. Aber diese wählten einen anderen Weg; sie setzten zuoberst der Grossen Eie mit ihrer Reiterei über die Vispe und griffen die Verteidiger von der Seite und im Rücken an. Der Mehrzahl der Feinde mussten diese bald weichen. — Hier war es, wo der mutige Kommandant aus Goms, Walther, den Heldentod für's Vaterland starb. Sein Pferd hatte die Kraft nicht, über einen Graben zu setzen; er fiel hinein und ein französischer Reiter spaltete ihm den Kopf.

In Vispbach schlugen die Franzosen Quartier. Ein Teil der Armee wurde landaufwärts gesandt, der andere aber verwendet, um ins Vispertal einzuschwenken. Sie begannen mit der Besetzung der anliegenden Berggemeinden, um nicht Feinde im Rücken zu lassen. In den wohlbesetzten Kellern von Visperterminen liessen es sich die Franzosen trefflich schmecken; was sie nicht verschmausen konnten, richteten sie sonst zu Grunde; — leer musste alles werden.

Weniger glücklich waren die Franzosen in Zeneggen. Sie suchten den Weg dahin, indem sie einigen heimkehrenden Soldaten auf der Ferse folgten. Angekommen in die wenig an- mutige Gegend beim Kalkofen, wo steile Bergabhänge die Strasse gefährlich machen und hohe Felsen sie von oben abschliessen, war es ein einziger Mann, der den Franzosen Halt gebot. Er stieg auf die Felsen herauf, wo er vor dem Feinde sicher war, und fing zu schreien und zu lärmen an, als wenn er eine halbe Armee kommandierte. — Der Mut oder die neckische Kühnheit dieses Einzigen rettete Zeneggen vor Plünderung und Raub. — Die Franzosen getrauten sich nicht weiter und kehrten eilig nach Visp zurück, um dem Kriegsrat zu hinterbringen, der Berg da oben sei uneinnehmbar. Die Aussicht von Vispbach aus bestätigte die Botschaft. Man wusste keinen Rat. — Endlich erfuhren sie am dritten Tage, es gebe über Bürchen hinauf einen Zugang, den keine Felsen verschanzen. Gleich ward Befehl erteilt, diesen Weg einzuschlagen.

In Zeneggen hatte man sich indessen auch eines Besseren beraten. Der Rat und an dessen Spitze der Pfarrer selbst, der etwas französisch sprach, zog dem Feinde in die "Hölelen" entgegen. Auch die Franzosen wurden menschlicher; liessen sich von der Gemeinde zwar wohl bewirten, aber verdarben und stahlen nicht mehr, wie sie es im ersten Anstürmen sonst überall taten.

Von Zeneggen weg zogen die Franzosen nach Törbel und von da nach Stalden herab, um ins Saastal einzulenken zur Verfolgung einiger kaiserlichen Truppen, die über den Monte-Moro zogen — es war der 11. Brachmonat. — Ins grössere Vispertal zogen diesmal die Franzosen nicht.

Lasst uns die Taten unserer Väter und ihre schweren Leiden nicht vergessen und fleissig erzählen.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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