Der betrogene Spukmacher

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Im Westen des Sanetschtales liegt hoch auf einer futterreichen Bergebene die schöne Gundiser Alpe "Pointet". Die zahlreiche Viehherde, die da im Sommer munter grast, wird gemeinschaftlich auf die Weide getrieben und deren Milch in einer grossen Sennerei, wie gewöhnlich auf Hochalpen, verhandet. Das ganze Alpgeschäft wird einem Meistersennen anvertraut, dem die übrigen Alpgehülfen untergeordnet sind.

Von einem solchen Ober-Sennen wird erzählt, dass er seine Freude darin fand, die jüngern Alpleute mit sonderbaren Alpbozengeschichten zu unterhalten und mit grausenhaften Geistererscheinungen zu schrecken, — vermutlich weil er eben nichts Besseres vorzunehmen wusste. In seiner Grosssprecherei versprach er eines Abends einem jungen Alphirten, er wolle ihm seine schönste Kuh samt der klangvollen Trinkel (Schälle) verschenken, wenn er den Mut hätte, sich allein um Mitternacht ins Gebirge hinauf zu wagen und zum finstern Felsengebirge am Sanetschgletscher "chez-Rozo" mit lauter Stimme zu rufen: «tête sèche, répondez à la tête verte!» d.h. dürrer Kopf, antworte dem grünen, oder: Ihr Toten, antwortet den Lebendigen.

Weil der junge Hirt dem Versprechen glaubte, dachte er der Sache nach, und je länger er daran dachte, desto mehr wässerte ihm der Mund nach der schönen Trinkelkuh. Er fasste Herz; doch bewaffnete er sich mit einem scharfgeschliffenen Säbel, den er noch zur Vorsicht erst bei den Kapuzinern in Sitten segnen liess. — (Seltsam, dass die Jesuiten diesmal frei bleiben!) — Er kündete darum auch seinen Entschluss dem Meister an, ihn an sein Versprechen erinnernd. Diesem wurde aber übel zu Mute bei der drohenden Gefahr, seine beste Kuh zu verlieren. Er wollte jedoch sein Wort nicht zurücknehmen, sondern sann auf Mittel, den jungen Hirten an der Ausführung seines Vorhabens zu hindern. Und er ersann ein Trauriges. Einem soeben verunglückten Ochsen zog er eilig die Haut ab, liess dessen Hörner oben aus dem Fell stehen und stellte sich damit angezogen im Gebirge, wo der Hirte vorüber musste, an einer passenden Stelle auf.

Dieser kam und sah das grause Gespenst am Wege liegen. Mutig und barsch fragte er an: «Wer da?» Gleich erhob sich dieses gewaltig vom Boden und schrie mit lauter und furchtbarer Stimme: «Ich bin der Teufel! Fort mit dir!» Der Hirte hatte volles Vertrauen auf seinen gesegneten Säbel, stürzte auf das Ungeheuer los und in ein paar mächtigen Hieben lag der gehörnte Kopf vom Rumpfe getrennt aus dem Boden. Er ging dann seines Weges ruhig weiter, um die Wette zu gewinnen.

Als er in der Morgendämmerung, froh des geglückten Weges und der gewonnenen Kuh, die Alphütte wieder erreichte, war der Meistersenne nirgends zu finden. Niemand wollte von ihm etwas wissen. Nach langem und langem Suchen fand- man ihn endlich im Gebirge enthauptet in der Ochsenhaut. — Umsonst bot man alle Kräfte auf, den so unglücklich Enthaupteten von der Stelle zu bringen; man musste unter der Leiche die Erde zu einer Grube öffnen und so dieselbe einscharren. — Und auf dem Grabe dieses Unglücklichen spriesst bis auf den heutigen Tag weder Kraut noch Gras.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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