Die Grenzmarke

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Als zur Zeit der Reformation in vielen Kantonen die Regierungen der katholischen Kirche untreu wurden und das Volk zum Abfall vom alten Glauben zwangen, herrschten in der Schweiz viele Unruhen, viel Hader und Zank, viel Jammer und Elend. Das war auch der Fall bei unseren Nachbarn im Kanton Bern, wo die guten Bauern nichts weniger verlangten als den Glauben ihrer Väter zu verlassen.

Ein frommer Kapuziner in Sitten, so wird erzählt, hatte mit diesen guten Bergleuten im Kanton Bern Mitleiden und wollte ihnen zu Hülfe kommen mit heilsamen Worten, Gebet und gutem Beispiele. Darum schnallte er sein Reisebündelein auf den Rücken, schnürte seine Sandalen fester an die Füsse und zog zum Sanetschpasse hin, um in den Kanton Bern zu gelangen.

Die Passhöhe ward glücklich überschritten und dem frommen Wanderer fehlten kaum fünf Minuten, um die Grenzen des Kantons Bern zu erreichen. — (Auch auf dem Sanetsch überschreiten die Wallisergrenzen bedeutend die Bergwasserscheide.) — Sieh! da stellte sich ihm Satan in den Weg, der eben auch nach Wallis wollte, um da die gleichen Spektakel wie in Bern hervorzurufen.

Die beiden Wanderer erkannten sich auf den ersten Blick und keinem blieb das Reiseziel seines Gegners verborgen. Darum entstand zwischen ihnen heftiger Streit. Lange scharmützten sie miteinander, aber ohne Erfolg. Endlich, des nutzlosen Zankes müde, kamen die Gegner überein, jeder solle zu den Seinen zurückkehren, für selbe allein sorgen und sich in die Angelegenheiten des andern nicht ferners mischen. Am Wege lag eben ein grosser platter Stein, der sollte als Grenzmarke zwischen dem Wirkungskreise der zwei eroberungssüchtigen Kämpfern auf fernere Zeiten bezeichnet werden. Beide stellten sich demnach auf den platten Stein, — auf der Walliserseite der Kapuziner, auf der andern sein Gegner — und drückten demselben die Male ihres Fusses ein.

Und dieser Stein und die Fussmale darauf sind noch zu sehen. Die Sandale des Kapuziners hat den Stein um etwa drei Linien von der übrigen Oberfläche erhoben, so weit derselbe mag berührt worden sein; Satan aber hat seine Klauen tief in den Stein eingedrückt. Zum Andenken heisst dieser Stein jetzt "Pierre bénite", d.h. gesegneter Stein, den jeder Reisende über den Sanetsch betrachten kann.

 

Quelle: M. Tscheinen, P. J. Ruppen, Walliser Sagen, gesammelt und herausgegeben von Sagenfreunden, Sitten 1872.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch

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