Der Spukgeist von Noflen

Land: Schweiz
Kategorie: Sage

Vor etwa fünf Jahrzehnten wohnte in einem Bauernhaus in Noflen ein Poltergeist. Der machte den Bewohnern auf alle Art das Leben sauer. Es gab keinen Winkel im ganzen Haus, der vom Treiben des Geistes sicher war. Tagsüber verhielt sich der Unsichtbare ziemlich ruhig. Aber in der Nacht ging der Spektakel los. Weder Mensch noch Tier wurden vom boshaften Plaggeist verschont. Bald rumorte er in der Tenne, bald auf dem Heuboden. In der Tenne befand sich eine Häckerlimaschine, an der der Quälgeist sein besonderes Gefallen fand. Denn er drehte sie öfters, so dass die Bewohner glaubten, jemand schneide Häcksel für das Vieh. Wenn sie nachschauten, stand die Maschine ruhig an ihrem Platz und vom Häckerli fand sich keine Spur. Ein andermal hausierte das Ungeheuer in der Küche, wo es mit Pfannen und Tellern hantierte und einen Höllenlärm verursachte. Dann geisterte es in der Wohnstube herum, rüttelte an den verschlossenen Türen und Fenstern, tat als ob er die Scheiben zerschlüge. Hintennach fand man sie dennoch ganz und unversehrt. Ein andermal rückte er das eichene «Pùffet» (Schrank) von seinem Standort, öffnete in der braun gefirnissten Kommode die Schubladen und knallte sie heftig wieder zu, um den Leuten den Schlaf zu vertreiben. Zur Abwechslung rollte er in anderen Nächten mit einer rasselnden Eisenkette durch den Hausgang und vollführte einen betäubenden Radau, als ob die wilde Jagd durchs Haus zöge. Selbst in den Keller stieg er hinunter und tat, als ob er mit den Äpfeln und Kartoffeln ein Bombardement ausführte. Merkwürdig, am Morgen lag alles an seinem gewohnten Platz, als ob nichts geschehen wäre.

Wenn der Spukgeist in den Stall zog, brüllten die geängstigten Kühe an der Krippe. Wild zerrten und rüttelten sie an ihren Ketten. Am folgenden Morgen gaben sie dann keine oder ungeniessbare saure Milch. Der Bauer besass neben seinen rotscheckigen Kühen noch einen Schwarzfleck. Auf diese Kuh hatte es das Gespenst ganz besonders abgesehen. Sie musste am meisten unter der Tücke des Unruhestifters leiden. Wenn der Küher morgens den Stall betrat, fand er die schwarzscheckige Kuh entweder losgekettet oder die Kette war so um ihren Hals gewunden, dass sie fast zugeschnürt dem Ersticken nahe war.

Die Bauersleute probierten allerlei Mittel, um den Spukgeist zu vertreiben; sie spritzten Weihwasser, zündeten geweihte Kerzen an, aber es half nie lange. Bald fing das Unwesen von neuem an. Der Besitzer des Bauernhauses forschte tiefer nach der Ursache des unheimlichen Friedensstörers. Das Ergebnis führte auf eine Erbschaftsangelegenheit zurück. Es soll dabei nicht in allen Dingen nach Recht und Gesetz zugegangen sein.

Eine Person wurde in ihren Rechtsansprüchen benachteiligt. Die Geschichte lag aber schon weit zurück. Doch das zugefügte Unrecht war bisher noch nicht gutgemacht worden. Nähere Erben der ursprünglich auf dem Hof lebenden Familie waren keine mehr vorhanden, die Anrecht auf eine Entschädigung hätten geltend machen können. Der neue Besitzer war aber ernstlich entschlossen, dem Unfug ein Ende zu bereiten. Er liess einen Ordensmann kommen und das ganze Haus aussegnen. Zugleich machte er eine Stiftung für kirchliche Zwecke, mit dem Teil des Geldes, das einst den richtigen Erben zukommen sollte. Von dem Tage an hörte das Lärmen des Poltergeistes auf und Ruhe und Friede zogen ins Bauerhaus ein.

 

Quelle: Pater Nikolaus Bongard, Sensler Sagen, Freiburg 1992.
Eingelesen von der Mutabor Märchenstiftung auf www.maerchenstiftung.ch.

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